„Ich glaube nicht, dass wir unter der Erde verschwinden“

Der Stararchitekt Lord Norman Foster über die Folgen des 11. September für die Architektur, die Zukunft der Wolkenkratzer und über Veränderungen in Folge der Bedrohung

taz: Herr Foster, nach den Terroranschlägen vom 11. September wird in den USA zur Zeit über die Frage diskutiert, ob Wolkenkratzer noch zeitgemäß sind. Warum haben Sie sich an dieser Debatte bislang nicht beteiligt?

Norman Foster: Das ist keine Frage, die den Architekten gestellt werden muss. Die entscheidende Frage ist, wie die Menschen künftig leben wollen. Die Ereignisse vom 11. September werden ganz ohne Frage das Design von Gebäuden beeinflussen. Aber das wird meiner Ansicht nach vor allem die Details betreffen und das Ergebnis einer ganz unaufgeregten Analyse sein. Man wird darauf achten, dass große Menschenmassen große Gebäude in großer Eile verlassen können. Wir planen gerade das Wembley-Stadion neu, man wird 90.000 Menschen innerhalb von acht Minuten hinaus bekommen können. Das ist das Ergebnis früherer Stadiontragödien, die aber auch nicht dazu geführt haben, dass die Menschen keine Stadien mehr betreten. Der Untergang der Titanic hat das Design von Schiffen verändert, aber er hat nicht dazu geführt, dass die Menschen nicht mehr zur See fahren. Wir erleben also zurzeit nicht das Ende der Hochhäuser.

War das Bauen von Hochhäusern nicht immer auch ein Wettbewerb unter Bauherren und ihren Architekten?

Architekten bauen keine Gebäude, sie interpretieren und reagieren auf Bedürfnisse. In dieser Hinsicht sind sie so gut wie die Menschen, für die sie arbeiten. Es gibt ein sehr enges Verhältnis zwischen der Qualität eines jeden Projektes und denen, die dieses Projekt in Auftrag geben, inspirieren und die Standards dafür setzen. Das ist ein interaktiver Prozess.

Also wird sich die Stadt- und Gebäudeplanung nicht verändern?

Die Frage ist eher eine philosophische: Werden wir noch zusammenkommen, werden wir uns noch treffen? Ich habe immer den Menschen zum Maßstab meiner Planungen gemacht. Die Vorstellung, dass wir alle in Höhlen oder Nuklearbunkern verschwinden werden, ist mir nicht erträglich. Und anschlagssicher zu bauen, ist genau so unmöglich, auch wenn jetzt einige Leute zu beweisen versuchen werden, dass man Gebäude explosions- oder feuersicher machen kann. Aber wenn man ein Gebäude in letzter Konsequenz so plant, baut man letztlich eben doch einen Bunker. Die Bedürfnisse der Menschen sind aber andere.

Wird sich das Gefühl verändern, in einer Stadt zu leben?

Ja, das wird sich nach diesen Ereignissen ganz sicher verändern. Man darf auf der anderen Seite aber auch nicht vergessen, dass viele Menschen schon seit Jahren mit der Bedrohung des Terrorismus leben. Nehmen Sie nur London, hier gibt es dieses Problem seit den Siebzigerjahren. Natürlich kann man zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort sein. Aber auch das wird nicht bedeuten, dass die Menschen die Städte verlassen. Es macht sie vielleicht nervöser oder ängstlicher. Ändern werden sich bestimmte Design-Aspekte. Ein größerer Anteil des Baubudgets wird für Sicherheit ausgegeben werden, es wird schwieriger sein, mit einem Lastwagen ins Innere eines Gebäudes zu gelangen. Zweifellos wird es Veränderungen geben, die eine Folge der Bedrohungen sind. Aber ich glaube nicht, dass wir unter der Erde verschwinden. INTERVIEW: STEFAN KOLDEHOFF