Süße PR-Überraschung zu Halloween

■ PR im Unterricht: Milka verteilte „Halloween-Pakete“ an rund 60.000 SchülerInnen in Bremen. Als „Danksagung“ – Schulmediziner und Gesamtschülervertretung sind empört

„Jeder kann ein Päckchen haben“ – wie auf Kommando springen die Kinder von ihren Schulbänken und drängen sich um den lila Karton mit den Milka-Päckchen. In jeder Tüte sind kleine „Schokoladengeister“ und frech grinsende „Kürbis-Schokokugeln“ mit weißer Füllung im Halloween-Outfit. „Das ist lecker!“ ruft Oliver und stürmt nach vorn, um erster zu sein. Nadja und Lena schieben sich begeistert die Schokokugeln in den Mund: „Milka ist einfach geil!“ Vivien freut sich riesig über die lila Geister: „Das ist gut, dass Milka sowas macht, weil man dann nicht dafür zahlen muss.“

Die Halloween-Pakete mit insgesamt 170 Gramm Schokolade wurden seit Dienstag an 144 Schulen und rund 60.000 SchülerInnen in Bremen verteilt. Die Werbe-Aktion bekommt Milka quasi gratis von der Stadt Bremen geschenkt: Als Bonus für die 100.000 Mark, die der Schoko-Riese für die zwölfmonatige Verhüllung des Rathauses zahlte. „Wir konnten uns mit den Halloween-Schokoladen bei den Schülern dafür bedanken, dass sie an der Malaktion teilgenommen haben und bei der Rathaus-Verhüllung mit dabei waren“, schreibt Anja Beckmann von Kraft Foods in einer Pressemitteilung, nachdem sie sich genau bei ihren Chefs rückversichert hat.

„Nimm keine Schokolade vom bösen Onkel“ - von diesem Satz hält Bildungssenator Willi Lemke (SPD) anscheinend nicht viel. Denn die Milka-Päckchen wurden per Brief von der Bildungsbehörde angekündigt. Darin weist sie die Schulen an, für einen reibungslosen Ablauf der Aktion zu sorgen. Die Auslieferung dürfe nicht schiefgehen. „Ich bitte sicherzustellen, dass die Sekretariate besetzt und informiert sind“, heißt es in dem Schreiben.

„Wir haben darüber diskutiert und es unbedenklich gefunden“, sagt Pressesprecher Rainer Gausepohl, der den Brief unterzeichnete.

Das sehen Schulmediziner ganz anders. Das Verteilen von Schokolade im Unterricht laufe den pädagogischen Anstrengungen des Zahngesundheitsunterrichts zuwider, meint die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Bremen (LAJB). „Wir lehren eigentlich, dass gerade Kinder möglichst wenig Schokolade essen sollen“, sagt Susanne Rauchenberger zum Schokoladeempfehlungsschreiben der Bildungsbehörde.

Einige SchulleiterInnen fanden die Halloween-Überraschungen tatsächlich „gruselig“. Eine Schule weigerte sich teilzunehmen. Peter Lankenau vom Schulzentrum Findorff fühlte sich überrumpelt, „als da plötzlich ein Lastwagen kam und neun riesige Paletten ablud“. Er habe den ankündigenden Brief erst hinterher erhalten. Eigentlich will er keinen Süßkram für seine Kinder. „Wir sind eine gesunde Schule“, erklärt Lankenau. Eilig wurde ein Elternbeirat einberufen. Der willigte erst nach langen Diskussionen ein, die Kalorienbomben zu verteilen.

Auch das Schulzentrum an der Böttcherstraße nahm die Gaben nach dem Motto „einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“ auf. „Unsere Schüler sind sich aber der Marketingmaßnahme bewusst und betrachten diese kritisch“, betont Rektor Heinrich Schmidt-Uenzen.

Ewgeniy Kasakov von der Gesamtschülervertretung (GSV) lehnt Sponsoring dagegen generell ab, besonders, „wenn gesundheitsschädliche Produkte anfangen, die Lehrpläne mitzubestimmen.“ Sein Hauptkritikpunkt liegt aber woanders: Um die Prozedur zu vereinfachen, hat Gausepohl Milka die Adressen der Schulen und die jeweiligen Schülerzahlen zur Verfügung gestellt. Darüber ist der GSV-Mann besonders empört. Kasakov: „Da haben wir nochmal ein Hühnchen zu rupfen.“

Trost für die Zukunft: Noch ist für Nikolaus keine ähnliche Aktion geplant. Britta Schatz