Leicht und schwer

Japanische Literaturverfilmungen: Eine Reihe über mehrere Monate im Metropolis  ■ Von Olaf Möller

Von heute an bis zum 25.3. zeigt das Metropolis – in Zusammenarbeit mit der Uni – jeden Montag eine japanische Adaption eines einheimischen Literaturklassikers. Man könnte auch sagen: Da hat wohl jemand den Kopienbestand des japanischen Kulturinstituts in Köln durchforstet, festgestellt, dass es da irgendwelche Adaptionen von einigen wesentlichen Autoren/Werken der japanischen Literatur gibt, ist dann nochmal in sich gegangen, um das Ganze ein bisschen mit Kopien aus anderen Beständen aufzumascheln – und fertig war ein Programm, das, wie mein Vater sagen würde, „kein' Arsch und kein' Kopf hat“, weder filmisch noch literarisch.

Das Programm scheint primär dazu gedacht zu sein, dass irgendwelche Studenten nach Lektüre der Vorlagen – ein Großteil davon ist auf Deutsch erschienen – sagen müssen, was der Film anders macht. Ein weiteres Indiz: Das Programm ist nach dem Erscheinungsjahr der Vorlagen sortiert. Dass die Filme, ihre Ästhetik wie ihre narrativen Strategien, einen ganz eigenen Diskurs darstellen, scheint weniger zu interessieren. Und es ist schon etwas verwirrend, wenn nach einem Film aus den 80ern ein Film aus den 50ern, dann ein Film aus den 30ern kommt, wo die vielleicht vergleichbaren literarischen Zugänge in eklatant unterschiedlichen filmischen Zugriffen verschwinden. Man könnte das alles aber auch einfach als eine Ansammlung größtenteils guter Filme betrachten.

Wobei gleich der erste Film, Hideo Goshas Schwanengesang Onna-goroshi abura no jigoku/Ein Mord in der Ölhölle (1992) schon mal gewisse prinzipielle Fragen aufwirft, nämlich: Ist Literatur nicht eigentlich nur das, was wir lesen? Das heißt in negatio, ein Theaterstück – also eine Arbeit, die schlussendlich zur lauschenden Betrachtung verfasst wurde –, wie Monzaemon Chikamatsus diesem kleinen Meisterwerk zugrunde liegendes Stück „Bunraku“ oder „Kabuki“ (eine Art Puppentheater), ist daher eigentlich keine Literatur. Im Februar und März gibt es jeweils eine Manga-Adaption – einmal als Spielfilm, einmal als Anime –, und Comics haben nun sicher nichts in der Rubrik „Literatur“ verloren: nicht, weil sie eine mindere Form wären, sondern einfach, weil sie eine eigenständige Kunstgattung darstellen, die mit Literatur genauso viel gemein hat wie mit der Malerei und dem Film.

Die weiteren Filme dieses Monats sind glücklicherweise nicht so strittige Fälle: Es sind drei sehr schöne, zwei davon sogar brillante Filme nach Vorlagen von Autoren, die Japans moderne Literatur entscheidend mitgestalteten: Yo-shimitsu Moritas elegischer Sorekara – Und dann (1985; nach Soseki Natsume), Kenji Mizoguchis heftiger, mit der traumgleichen Logik aller schicksalsschweren Stoffe dahingleitender, wie der – nach des Meisters eigenen Vorstellungen – als Rollbild zu lesender Sansho dayu/Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit (1954; nach Ogai Mori) sowie die älteste Produktion der Reihe, Yasujiro Shimazus Okoto to Sasuke/Okoto und Sasuke (1935; nach Jun'ichiro Tanizaki). Letzterer dürfte für ein kontempo-räres Publikum die vielleicht faszinierendste Filmerfahrung dieser Reihe darstellen. Wie ein derart alter Film – und aus den 30ern ist wirklich alt – nicht nur so frisch, sondern auch derart herbe, extrem neurotisch sein kann: wie ein verfrühtes Noir-Melodram, filmisch gesehen. Ein absolutes Muss!

Mord in der Ölhölle: heute; Sorekara – Und dann: 12.11.; Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit: 19.11.; Okoto und Sasuke: 26.11., jeweils 19 Uhr, Metropolis; die Reihe wird fortgesetzt