„Playboy“ verlässt den Bauernstand

Nächstes Jahr wird die deutsche Ausgabe des „Playboy“ zwanzig Jahre alt. Da es dem einst führenden Männermagazin zunehmend an Niveau und Auflage gebricht, könnte es im Jubiläumsjahr den Verlag wechseln. Burda steht offenbar bereit

von DANIEL FERSCH

Seien wir doch mal ehrlich: Wegen des berühmten Interviews wurde der Playboy nie gekauft. Von den angeblich weltklassigen Kurzgeschichten ganz zu schweigen. Selbst damals nicht, als es sich vielleicht noch gelohnt hat.

Jetzt ist das Niveau ganz unten: Im großen Interview der November-Ausgabe zum Beispiel lässt der Basketball-Star Dirk Nowitzki die „provokativen“ Fragen der Redakteure nach Sex & Drugs in der NBA ziemlich routiniert abblitzen. Wollte der Playboy schon immer mehr sein als nur ein simples Tittenblatt? Er tat zumindest so: Ein mondänes Image sollte das Heft transportieren, mit Konsumtipps für gut betuchte Männer und eben jenen „hochwertigen Interviews“. Der Kauf eines Playboys sollte dem Leser das Gefühl geben, ein echter Kerl zu sein, auch wenn er nicht das nötige Kleingeld hatte, um sich die im Heft gepriesenen neuen 8er BMWs zu leisten.

Doch seit den Achtzigern, als Ober-Playboy Hugh Hefner sein „Big Bunny“ getauftes Privatflugzeug, eine schwarz lackierte DC-9 mit Bar und Whirlpool verkaufen musste, ging es mit dem Prototyp des Männermagazins und auch mit seiner deutschen Ausgabe stetig abwärts. Was genau für den Auflagenschwund verantwortlich war – ob nun die Dauerpräsenz von nacktem Fleisch im Fernsehen, die steigende Konkurrenz durch Penthouse und den kurzlebigen Hustler oder doch die Übermacht der Lifestyle-Titel à la Max – darüber streitet man noch.

Am Kiosk zumindest tummeln sich eine ganze Menge Jungspunde, die dem alten Platzhirsch den Rang ablaufen wollen. Und alle glauben besser zu wissen, „was Männern Spaß macht“: ein Waschbrettbauch und Psychotipps zum Verständnis des anderen, unbekannten Geschlechts zum Beispiel, wie Men’s Health aus dem Stuttgarter Motor-Presse Verlag dem Leser weismacht, oder Anzüge und Jeansjacken aus Designerhänden, wie sie GQ für den Gentleman promotet. Und fehlt es den Neuankömmlingen noch an der unverwechselbaren Markenidentität des Playboy-Bunnies, dann behaupten sie wie Springers Maxim eben, „der beste Freund des Mannes“ zu sein – oder geben gleich den prolligen Macho wie FHM (For Him Magazine, Slogan: „Männer sind so!“).

Leser, die sich an solchen Leitbildern orientieren, scheint es zur Genüge zu geben. Schließlich erzielten die vier selbst ernannten Konkurrenten des Playboy im dritten Quartal 2001 zusammengenommen eine Auflage von beinahe einer Million verkaufter Exemplare. Das Original dagegen dümpelt bei knapp 200.000 Heften, fast 70.000 weniger als 1998.

Eigentlich wäre das schon genug Grund zur Sorge für den Hamburger Heinrich Bauer Verlag, der neben der Jugendpostille Bravo eben auch den deutschen Playboy seit der Erstausgabe 1972 verlegt. Doch es könnte noch schlimmer kommen – denn nun droht der mögliche Verlust des Titels an die Konkurrenz. Im nächsten Jahr läuft die Lizenz von der Playboy-Muttergesellschaft aus – und mit dem Burda-Konzern hat Bauer der Verlag plötzlich einen potenziellen Mitbewerber, der gute Karten besitzt, sollte es zu einem Vertragspoker kommen.

Den ersten Stich hat Burda dem Bauer Verlag schon vor einem Jahr gemacht, als der Münchner Konzern (Focus, Bunte) den Hanseaten den mit Starttermin September 2001 extrem verspäteten Internet-Auftritt Playboy.de wegschnappten. Damals gab man sich bei Bauer noch betont locker und verwies darauf, dass mit dem Projekt auf absehbare Zeit sowieso kein Geld zu verdienen sei. „Dafür“, ließ sich Playboy-Verlagsleiter Host Müller im November 2000 zitieren, seien „die Investitionen zu hoch“. Trotzdem dürfte es die Bauer-Manager gewurmt haben, dass ihnen die US-Lizenzgeber weniger zutrauten als der Burda-eigenen Focus Digital AG.

Ende Oktober verkündete Burda nun den nächsten Coup: Man habe sich mit „Playboy Enterprises“ auf die Übernahme der russischen Heft-Lizenz geeinigt. Erst playboy.de, jetzt Russland – da würde sich das deutsche Heft als Ergänzung im Verlagsportfolio ganz gut machen.

Bei Burda will man von solchen Spekulationen jedoch nichts wissen und antwortet auf alle Anfragen mit vornehmem Schweigen. Es gilt die Marschrichtung, die Focus-Chefredakteur Helmut Markwort bereits im August in einem Interview vorgegeben hatte: „Sollten die Amerikaner ein Wettbieten um die Lizenz veranstalten“, sagte Markwort ungewohnt zurückhaltend, „dann werde ich auf keinen Fall mitpitchen.“

Wie die Vertragsverhandlungen im nächsten Jahr auch ausgehen sollten, im Kampf um Marktanteile hat sich Chefredakteur Stefan Gessulat inhaltlich wie optisch bereits dem Landvolk-Niveau der Konkurrenz um FHM angeglichen. Schlägt man die aktuelle Ausgabe auf, trifft man beinahe auf jeder Seite auf den Niedergang: Dümmliche Witzbildchen und die Kolumne von „Partygirl“ Ariane Sommer, die sich einen Kerl wünscht, der „nicht wie ein parfümierter Pudel“ riecht, sind so ziemlich die einzigen traurigen Überreste der einst gepriesenen journalistischen Qualität des Blattes.