Üb immer Treu und Redlichkeit

Däubler-Gmelin legt neue Vorschläge zur Reform des Urhebervertragsrechts vor. Ihre Zugeständnisse an die Verleger stellen Grundgedanken der Reform aber nicht in Frage

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat geschickt taktiert. Das neue Urhebervertragsgesetz wird kommen – und ist trotz vieler Zugeständnisse an die Verleger in seiner Substanz intakt geblieben. Das Ziel, eine Besserstellung der meist ökonomisch schwachen freiberuflichen Urheber, wird weiterhin erreicht. Wenn alles glatt geht, tritt das Gesetz im Mai 2002 in Kraft.

Die wichtigsten Änderungen hat das Bundesjustizministerium (BMJ) in 17 „Formulierungshilfen“ für die Bundestagsabgeordneten zusammengefasst, die der taz vorliegen. Danach bleibt die Kernvorschrift der Reform erhalten, wonach AutorInnen, ÜbersetzerInnen, JournalistInnen und FotografInnen künftig „angemessen“ vergütet werden sollen.

Was aber ist angemessen? Laut BMJ-Papier gilt als angemessen, „was im redlichen Geschäftsverkehr [...] üblicherweise zu leisten ist“. Damit werden einerseits schwarze Schafe unter den Verwertern gezwungen, sich wenigstens an das branchenübliche Maß anzupassen. Würde aber eine ganze Branche ihre wirtschaftliche Macht zu Lasten der Urheber missbrauchen, so müsste ein neuer „redlicher“ Maßstab gefunden werden.

Im Notfall vor Gericht

Im Notfall hätte dann ein Gericht zu entscheiden. Üblich soll das aber nicht werden. Deshalb sollen die Urheberverbände (zum Beispiel die Gewerkschaft Verdi) mit den Verwertern (etwa dem Verband der Zeitungsverleger) „Vergütungsregeln“ aushandeln, die dann – „gerichtsfest“ – als angemessen gelten. Diese Regeln, die für jeden Bereich der Kunst- und Medienwirtschaft differenziert auszuhandeln wären, sind der eigentliche Dreh in Däubler-Gmelins Reform.

Hier hat sich gegenüber dem ursprünglichen Entwurf auch nur wenig geändert. Entgegengekommen ist Däubler-Gmelin jetzt vor allem der Buchwirtschaft, die mehr Rechtssicherheit gefordert hatte. Die Grundzüge der Reform sind dadurch aber nicht berührt.

Erstens soll die Angemessenheitskontrolle nur noch für neue Verträge (ab Juni 2000) gelten. Ursprünglich war vorgesehen, dass auch bis zu 20 Jahre alte Verträge im Hinblick auf neue Nutzungen hätten angepasst werden können.

Zweitens wird die Angemessenheit der Bezahlung jetzt immer nach den Umständen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewertet. Wird etwa ein Autor später berühmt, so muss der Vertrag nicht automatisch angepasst werden. Nur in krassen Fällen, wenn ein „auffälliges Missverhältnis“ zwischen Erträgen des Werks und Honorar des Autors entstanden ist, soll es einen „Fairness-Ausgleich“ geben. Ein ähnlicher „Bestsellerparagraf“ gilt bereits heute, er soll nun so verschärft werden, dass er in der Praxis auch Wirkung entfalten kann.

Auch eine dritte Regelung versteht Däubler-Gmelin als Friedensangebot an die Verleger. Diese hatten befürchtet, dass sie im Lizenzhandel nicht mehr als zuverlässige Partner gelten würden, wenn zum Beispiel ein Filmproduzent, der ein Buch verfilmt, später mit Nachforderungen eines Autors rechnen müsste, mit dem er nie einen Vertrag geschlossen hat.

Keine Kettenhaftung

Jetzt heißt es in den BMJ-Vorschlägen, dass der Urheber sich mit Nachforderungen nur noch an „seinen Vertragspartner“ halten kann – und nicht an alle weiteren Glieder der „Verwertungskette“, wie ursprünglich vorgesehen. Für die Verlage bedeutet das nun aber, dass sie bei der Weiterlizenzierung von Rechten immer auch auf einen fairen Anteil für Autoren und Übersetzer achten müssen, sonst haben sie am Ende selbst für deren Ansprüche auf einen angemessenen Anteil geradezustehen.

Der modifizierte Gesetzentwurf soll Ende Dezember im Bundestag beschlossen werden. Dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gehen die Zugeständnisse erwartungsgemäß nicht weit genug. Auch der überarbeitete Entwurf sei „praxisfern“ und „verfassungsrechtlich bedenklich“, kritisierte BDZV-Präsident Helmut Heinen.

Ob es für die Verlage und andere Rechteverwerter tatsächlich zu gravierenden Mehrkosten kommt, ist noch offen. Wenn diese schon bisher, wie immer behauptet, den Kreativen „angemessene“ Vergütungen bezahlen, müsste eigentlich alles beim Alten bleiben. Daran ist allerdings zu zweifeln. CHRISTIAN RATH