„Kein Platz für Fundamentalisten“

Eine sehr große Rolle können Frauen beim Aufbau eines demokratischen Afghanistan noch nicht spielen, meint „Shahla“. Es fehle ihnen an Bildung

Interview UTE SCHEUB

taz: Wird Ihre Organisation Rawa an der Konferenz auf dem Bonner Petersberg beteiligt?

Shahla: Ich habe einen Anruf von einem Berater von Exkönig Mohammed Sahir Schah erhalten, der besagte, dass Rawa als Teil seiner Delegation an der Konferenz beteiligt werden könne. Das ist allerdings noch nicht offiziell und deswegen auch noch nicht ganz sicher. Jedenfalls hoffe ich, dass ich dort Rawa vertreten kann, bis eine andere Rawa-Vertreterin aus Pakistan auf dem Petersberg bei Bonn eintrifft, und dass das nicht an Visaproblemen scheitert.

Welche anderen Frauen werden dort erwartet?

Soweit wir wissen, gibt es noch zwei andere Frauen in der Delegation des Exilkönigs. Die eine ist Sima Wali. Sie ist aus dem US-Exil, also in die politischen Aktivitäten in Afghanistan und Pakistan nicht involviert. Es ist aber wichtig für die Teilnehmerinnen, politisch involviert oder von einer politischen Organisation delegiert worden zu sein.

Und die andere?

Das ist Mona Mansuri, Tochter des früheren Premiers zu Zeiten des Königs. Sie gehört zu dem bundesdeutschen Verein afghanischer Frauen, der sich aber ausschließlich humanitär engagiert.

Was erwarten Sie von der Konferenz?

Zurzeit kann niemand darüber Konkretes sagen. Den positiven Unterschied zu früheren Konferenzen sehe ich in der Anwesenheit einer Delegation des früheren Königs. Die Mehrheit der demokratischen und friedensliebenden Kräfte Afghanistans unterstützt ihn. Rawa unterstützt ihn, weil er ein Gegengewicht zu allen fundamentalistischen Gruppen der Taliban und der Nordallianz darstellt. Das heißt aber nicht, dass wir in einer Monarchie die ideale Regierungsform für ein zukünftiges Afghanistan sehen (lacht). Wir werden unseren Kampf für ein demokratisches Afghanistan fortsetzen. Aber die Anwesenheit der königlichen Delegation ist auch wichtig für den Einsatz von UN-Friedenstruppen. Die Nordallianz muss entwaffnet werden, damit ihre verschiedenen Fraktionen ihre Waffen nicht erneut gegeneinander und gegen die Zivilbevölkerung richten können. Außerdem halten wir es für unerlässlich, dass die zur Nordallianz gehörenden Kriegsverbrecher verhaftet und von internationalen Gerichten verurteilt werden. Und noch ein Punkt, den nicht die Nordallianz und nur der König garantieren kann: Unterstützung für demokratische Gruppen und Parteien. Sie müssen sich darstellen, ihre Stimme erheben, ihre Unterstützung durch das Volk testen können.

Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, soll Rawa ignoriert haben.

Wir haben ihn in Pakistan getroffen, als er dort seine Rundreise machte. Er hat uns seine Unterstützung zugesichert, aber Rawa nicht zur Konferenz eingeladen.

Haben Sie eine Erklärung für Brahimis Verhalten?

Nein. Vielleicht haben Mitglieder der Nordallianz interveniert. Sie fürchten Rawa, denn sie ist die stärkste Organisation, die sie bekämpft. Ich hoffe aber auf die Unterstützung durch die westlichen Regierungen, die ja nun die Erfahrung machen mussten, wie gefährlich fundamentalistische Gruppen sind, für Afghanistan und die ganze Welt.

Unterstützen auch Sie die Einberufung einer Loya Jirga, einer Nationalversammlung?

Ja, die Loya Jirga ist eine traditionelle Form afghanischer Demokratie. Von größter Wichtigkeit ist für uns jedoch, dass keine Vertreter fundamentalistischer Gruppen daran teilnehmen und dass alle Teilnehmer die Menschen- und Frauenrechte akzeptieren. Eine Loya Jirga könnte einen demokratischen Prozess einleiten, an dessen Ende freie Wahlen stehen. Bis dahin brauchen wir noch viel Zeit, in denen die verschiedenen Gruppen und Parteien arbeiten und sich darstellen können. Wobei ich sicher bin, dass die Kriminellen und Fundamentalisten der Nordallianz bei der Bevölkerung nicht ankommen.

Welchen Part sollten die Frauen bei der Loya Jirga spielen?

Sie sollen daran teilnehmen. Viele Männer sind im Krieg umgekommen, sodass die Frauen in Afghanistan nun ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung stellen. Eine sehr große Rolle werden sie aber leider nicht spielen können. Das scheitert schon daran, dass derzeit nur drei oder vier Prozent von ihnen eine Schulbildung erhalten haben.

Was ist Ihre Vision für ein neues Afghanistan?

Es gibt dort so viele Probleme, die nur Frauen lösen können. Eine ganze Generation von Kindern ging niemals in die Schule und musste mit 10 oder 14 schon ein Gewehr in die Hand nehmen. Sie wurden Zeugen von Exekutionen, Auspeitschungen, Plünderungen, Vergewaltigungen. Wir brauchen nichts dringender als Frieden. Und Bildung.