„Das verwässert die Marke“

Die mageren Zeiten sind vorbei: Durch Verdopplung der Redaktion soll der Online-Auftritt der „Tagesschau“ zum Nachrichten-Portal der ARD werden – natürlich streng programmbegleitend. Kooperationen mit Privat-Providern wie beim ZDF sind tabu

Interview DIEMUT ROETHER

Seit heute ist das neue „Tagesschau“-Angebot online. Über die Änderungen sprach die taz mit Jörg Sadrozinski, seit 1998 Leiter der Redaktion von www.tagesschau.de.

taz: Die meisten Online-Redaktionen bauen Stellen ab, nur die „Tagesschau“ hat gerade 12 neue Redakteure eingestellt. Können sich das nur die Öffentlich-Rechtlichen leisten?

Jörg Sadrozinski: Die Entlassungen beruhen meiner Meinung nach darauf, dass man gemerkt hat, dass es doch nicht so leicht ist, im Internet Geld zu verdienen. Daher sind die Medienhäuser, die schwarze Zahlen schreiben müssen, dazu gezwungen, Leute zu entlassen.

Und die Öffentlich-Rechtlichen müssen keine schwarzen Zahlen schreiben?

Doch. Aber wenn wir uns mit anderen Online-Redaktionen vergleichen, muss man auch sagen, dass das ZDF oder n-tv schon seit Jahren viel besser ausgestattet sind. Unser Angebot muss ja rund um die Uhr aktualisiert werden, 24 Stunden an 365 Tagen. Dafür sind 19 Redakteure nicht viel.

Und wieso baut die „Tagesschau“ überhaupt aus, wenn alle anderen abbauen?

Ich glaube, der Trend wird sich in den kommenden Jahren wieder umkehren. Die Nutzungszahlen gehen hoch – das bedeutet, dass auch mehr Inhalte nachgefragt werden. Wenn es darum geht, Inhalte kostengünstig zu produzieren, hat die ARD natürlich einen gewaltigen Vorsprung, weil sie über viele Inhalte verfügt.

tagesschau.de ist seit gestern mit einem neuen Angebot im Netz. Was wird sich ändern?

Wir greifen sehr viel mehr auf das Korrespondentennetz der ARD zu. Wir werden auch Hörfunknachrichten anbieten und wir werden gleichzeitig von den Fachredaktionen der Landesrundfunkanstalten mehr Beiträge und Angebote bekommen. Außerdem werden wir das Angebot personalisieren: Die Nutzer können entscheiden, wann sie den Newsletter empfangen wollen und welche Nachrichten sie interessieren, also zum Beispiel nur Nachrichten aus dem Bereich Wirtschaft, Politik und Bayern. Ich kann mir auch einzelne Nachrichten im Angebot auswählen und sie auf meinen Palm herunterladen oder ausdrucken.

Das Angebot von tagesschau.de war ja bisher etwas „statisch“. Wird der Auftritt jetzt lebendiger?

Wir wollen in Zukunft regelmäßig Chats mit Korrespondenten oder Politikern anbieten. In Zusammenarbeit mit Phoenix wird es auch Live-Streams von Bundestagsdebatten oder anderen wichtigen Ereignissen geben.

In Zukunft soll es bei Ihnen auch die klassischen Ressorts geben: Ausland, Inland, Wirtschaft, Sport, Kultur. Kultur kommt aber in der „Tagesschau“ so gut wie nicht vor. Ist das denn noch programmbegleitend im Sinne des Rundfunkgesetzes?

Es ist mit Sicherheit programmbegleitend, denn auch in den „Tagesthemen“ und im „Nachtmagazin“ gibt es ja immer wieder Berichte über Theaterpremieren. Das wollen die Leute auch online lesen können. Hier werden auch die Landesrundfunkanstalten viel zuliefern. Beim Bayerischen Rundfunk gibt es ein Kinomagazin ...

... das dann unter dem Markennamen „Tagesschau“ verkauft wird?

Nein, das wird es nicht. Wir werden auf die Angebote der Landesanstalten zurückverlinken. Bei tagesschau.de wird es einen Teaser geben, der dann zum Online-Angebot des BR führt.

Wird die „Tagesschau“ dann zum Portal für die ARD?

tagesschau.de wird ein Portal unter vielen sein, neben ard.de oder das- erste.de. Möglicherweise wird es noch weitere Angebote geben, die gemeinschaftlich finanziert sind, etwa für den Sport. tagesschau.de soll aber nicht die ganze ARD darstellen, sondern das nachrichtliche Angebot.

Ihre Redaktion ist jetzt organisatorisch ausgegliedert worden aus ARD aktuell, der Redaktion, die „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ macht. Gehen da nicht Synergieeffekte verloren?

Nein, wir sind noch im gleichen Haus untergebracht und besuchen die gleichen Konferenzen wie die Fernsehkollegen. Aber da auf unserer Site in Zukunft Fernsehen und Hörfunk gebündelt werden, sollte wohl nicht länger der Fernseh-Chefredakteur dafür verantwortlich sein. Inhaltlich werden wir uns nicht von der „Tagesschau“ entfernen.

Wäre für Sie Kooperationen mit anderen Anbietern denkbar, analog zur umstrittenen Allianz von „heute“ und T-Online beim ZDF?

Nein. Wir hatten auch ein entsprechendes Angebot. Aber ich habe den Eindruck, die Kollegen verwässern damit die Marke.