Hieroglyphen für alle

StudentInnen der Mesoamerikanistik veranstalten Kongress in Hamburg. Interessierte können die Schrift der Mayas erlernen  ■ Von Gernot Knödler

StudentInnen des Instituts für Archäologie der Universität haben die Sechste Europäische Maya-Konferenz organisiert. Sie findet vom 5. bis 9. Dezember in Hamburg statt und beschäftigt sich mit der Frage, ob die Maya ein historisches Bewusstsein hatten, das dem unseren vergleichbar ist. Überdies bietet sie den StudentInnen die Möglichkeit, von Fachleuten die Maya-Hieroglyphenschrift zu erlernen. An keiner europäischen Universität gibt es dazu ein reguläres Lehrprogramm. Zu allen Veranstaltungen sind interessierte Laien eingeladen.

Die Maya-Konferenz soll nach Angaben der VeranstalterInnen – der Vereinigung europäischer Maya-ForscherInnen (Wayeb) und der Abteilung Mesoamerikanistik des Archäologischen Instituts – einem Defizit der europäischen Maya-Forschung begegnen: Die wichtigsten Treffen der Fachwelt finden in den USA statt, so dass es für NachwuchswissenschaftlerInnen sehr kostspielig ist, mit dem rasanten Fortschritt ihres Faches Schritt zu halten. In ganz Deutschland gibt es nur vier Universitäten, die die Mesoamerikanistik, einen Zweig der Altamerikanistik im Programm haben.

Die Hamburger nutzten das Angebot, die Konferenz auszurichten, gerne, weil sie damit den Behauptungswillen der Abteilung Mesoamerikanistik an der Hamburger Uni demonstrieren können. Vor einigen Jahren sollte das Fach bereits einmal abgeschafft werden. Von ehemals zwei Professoren ist einer übrig geblieben, dazu ein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Sie müssen ungefähr 100 StudentInnen im Hauptfach betreuen.

„Wir befinden uns in einer Art Überlebenskampf“, sagt Tobias Koenig, einer der Organisatoren. Für die Ausrichtung der Konferenz gebe es „wenig bis gar kein“ Geld von der Universität, ergänzt seine Kommilitonin Kirsten Lüke. Immerhin habe der Asta 1500 Mark zugunsten des Orchideenfachs lockergemacht.

Die Mesoamerikanistik beschäftigt sich mit den Hochkulturen auf dem Gebiet der heutigen Staaten Mexiko, Belize, Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie beginnt bei der Bildung der Kulturen um 1500 vor Christi Geburt und verfolgt die Maya-Kultur bis in die Gegenwart. Weil darin so viele Teildisziplinen enthalten seien, hat sich Anne Biallas für das Fach entschieden: Archäologisch versucht es das Leben dieser indianischen Völker bis zum Eintreffen der Spanier anhand von physischen Hinterlassenschaften zu rekonstruieren. Historisch beschäftigt es sich mit der Wirkung der spanischen Eroberung, linguistisch mit der Sprache der Maya, Epigraphisch mit deren Schrift und ethnologisch mit ihrer Lebensweise, indem es Rückschlüsse aus dem Leben der Nachfahren zieht.

Gleichzeitig, so Lüke, diene ihr Fach der Völkerverständigung. „Um die Völker Mittelamerikas besser zu verstehen, muss man sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigen“, sagt die Studentin. Das schließt einen Teil Wiedergutmachung der Kolonialisierung durch Spanien mit ein. Lüke: „Viele Alt-Amerikanisten versuchen, das was sie gelernt haben, den Mayas wiederzugeben.“ Sie unterrichten die IndianerInnen in ihrer alten Schrift und Geschichte und geben ihnen damit Würde, Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeit zurück.

Die eigenwillige Maya-Schrift ist Koenig zufolge inzwischen zu 80 Prozent entschlüsselt. Sie bestehe aus einer Mischung von Bild- und Silbenschrift. Ein Jaguar, „balam“, könne beispielsweise durch einen Jaguarkopf symbolisiert werden oder lautmalerisch durch die Hieroglyphen der drei entsprechenden Silben: „ba-la-ma“. Zum Glück für die Forscher ist die Maya-Sprache zu Zeiten der spanischen Eroberung von Missionaren lautmalerisch in lateinischen Buchstaben aufgezeichnet worden. Die schriftlichen Überlieferungen aus der klassischen Periode von 200 bis 900 n. Chr. in Stein gehauen wurden. Sie erzählen von Geburten, Todesfällen, Siegen und der Errichtung von Bauten – inklusive peniblen Datumsangaben.

Ganze Texte können die Maya-ForscherInnen erst sei Ende der 80er Jahre entschlüsseln. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse stellen die lange Zeit geltende These, die Maya hätten ein mythisches und zyklisches Geschichtsverständnis gehabt, in Frage. Ob das historische Wissen der Maya tatsächlich grundlegend anders strukturiert war als das unsere, soll der Kongress klären helfen.

Weitere Informationen im Internet unter www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/09/Archaeol/Altameri/6emc.html oder beim Institut Tel.: 42838-3070, e-mail: cenahui§hotmail.com