DIE BERLINER AMPEL BLINKT NOCH, ABER SCHWACH
: Ohne Konsens, ohne Mehrheit

Die Verhandlungen über eine Ampelkoalition gehen weiter. Auch wenn es zunächst nicht so wirkt: Dies ist eine Nachricht. Denn die Grünen hatten am Wochenende überraschend mitgeteilt, dass sie gewisse „Essentials“ auch für eine Senatsbeteiligung nicht opfern wollten. In einem „Ultimatum“ wurde gar verlangt, dass die FDP diese nicht verhandelbaren grünen Positionen quasi formal anerkennt. Doch keine 24 Stunden, nachdem es so großspurig verkündet wurde, haben die Grünen ihr Ultimatum schon wieder eingesammelt.

Nun wird gestritten, wem der Beinahkoalitionsbruch nutzen dürfte: Sind die Grünen eingeknickt? Oder haben sie der FDP gezeigt, wo die Grenzen ihrer Belastbarkeit liegen? Stärkt es die Ampel, wenn die Konfliktpunkte schon am Anfang offen liegen?

Alle diese Fragen gehen am Kern vorbei. Die seltsamen Manöver der Berliner Grünen erklären sich nicht rational, sondern aus der Seelenlage einer Partei, die nicht weiß, wovor sie sich mehr ekelt: vor der FDP oder vor den Oppositionsbänken. Die echte Ursache für das schlechte Bild, das die Ampel schon jetzt abgibt, liegt jedoch tiefer: Eine Regierung können nur Parteien bilden, die sich zumindest in wesentlichen Punkten auf eine gemeinsame Politik verständigen und zudem in Wahlen für ihre Ziele Mehrheiten erringen. Beide Voraussetzungen erfüllt die Berliner Ampel nicht. Die Vorstellungen von FDP und Grünen sind oft gegensätzlich, nicht nur in der Verkehrs- und Schulpolitik, wo die Grünen am Wochenende vergeblich eine Entscheidung in ihrem Sinne erzwingen wollten. Auch am Auftrag durch die Wähler mangelt es der Ampel: Am 21. Oktober errang die SPD die Mehrheit im Westteil der Stadt, im Osten triumphierte die PDS.

Rot-Rot verhinderte aber einer, der in Berlin eigentlich kein Wahlrecht genießt, sich aber dennoch die letzte Entscheidung über Senatsbildung vorbehielt: der Bundeskanzler. Gerhard Schröder verbot dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ultimativ, mit der PDS zusammenzuarbeiten – und er drohte an, Berlin potenzielle Finanzhilfen für zu entziehen. Gegen die SED-Nachfolgepartei spricht aus Schröders Sicht nicht ihre totalitäre Vergangenheit, sondern ihr Nein zum Krieg in Afghanistan. Dieser Bann traf die PDS, zielte jedoch auf des Kanzlers eigene Partei und die wankelmütigen Grünen im Bundestag. Wer nicht bereit ist, deutsche Soldaten in alle Welt zu schicken, darf nicht mitregieren. Nirgendwo. Die Botschaft ist bekanntlich angekommen.

Aus dieser Mischung aus Zwang und Bestechung mit öffentlichen Mitteln ist die Berliner Ampel geboren. Und so sieht sie auch aus.

ROBIN ALEXANDER