Unkoordiniertes Popgeschehen

Wohin am Sonntag? Ja König Ja und Universal Gonzáles konkurrieren  ■ Von Michael Hess

Sollten wir das Jahr 2001 aus Sicht des heimischen Popgeschehens in Erinnerung behalten, dann auch wegen der Wiederauferstehung einer alten Städtekonkurrenz. Zumindest in den Verlautbarungen der üblichen Pop-Postillen machte Berlin mächtig Schule. Die dortige Wir-sind-wieder-wer-Mentalität kannte keine Schranken, während im Hamburger Leistungskurs Dank vieler grauer Wolken allmählich die Lichter ausgingen. Blumfeld, Tocotronic und Die Sterne vs. Mina, Quarks und Morgenstern (Barbara, nicht Christian) lautet die mediale Schlachtordnung – und alle setzten klar auf Auswärtssieg. Und wir? Ahnen so langsam, wie sich die Popszenen in München, Köln und natürlich auch Berlin in den 90er Jahren gefühlt haben müssen, als jedes laue Elblüftchen zum kräftigen Sturm aufgeblasen wurde. Die Wirklichkeit vor Ort sah und sieht natürlich anders aus.

Oder? Manches wirkt symptomatisch. Beispiel: Koordination. Während in der Berliner Schau- äh, Volksbühne jüngst eine Leistungsschau verschiedener Haupstadt-Labels („Bärenmarken“, sic!) für eine nette Party und viel Standortwirbel sorgte, scheint unter Hamburgs Musikschaffenden das Wort Freizeitplanung unbekannt. Zumindest am 9. Dezember wird fehlende Kommunikation im Vorfelde zu Chaos und Kopfzerbrechen führen. Dann nämlich tritt das Hamburger, ahem, Kammerpop-Quartett Ja König Ja im Knust auf, während zeitgleich die ebenfalls hier beheimateten Neo-Chansonniers Universal Gonzáles ins Neue Cinema bitten. Beide Gruppen spielen Artverwandtes, sie schätzen und kennen einander, den meisten Fans geht es ähnlich, niemand weiß wohin und wir sind auch ganz ratlos. Ist das nun Strategie oder etwa doch Sinnbild einer allgemeinen Verunsicherung?

Seltsamerweise spiegelt sich das urbane Polaritätsdenken im Schaffen und Wirken beider Bands wieder, gerade was den Umgang mit Begriffen wie Boheme, Großstadt und Privatheit angeht. Die Songs von Universal Gonzáles berlinern mit Pathos und falschem Glamour und verwandeln dabei Elektronik, Bossa Nova und deutschsprachigen Chanson in eine Art Ufa-Film-ästhetik. Dagegen nehmen sich Ja König Ja fast wie die Buddenbrooks aus, so bürgerlich, hanseatisch, aber auch eben unaffektiert geht es in ihrer Songwelt zu. Gleichzeitig aber kann die Band um Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels als Vorreiter jener neuen, weltentrückten Verletzlichkeit gelten, die sich in den letzten Jahren in Berlins Wohnzimmern um billige Elektrogerätschaften zusammenkuschelte. Ja König Ja kennen den Vorwurf der Heimeligkeit noch aus eigener Erfahrung, haben sich aber aus den Fallstricken des Niedlichen längst befreit. Gereift zu einer irgendwie coolen Form des Erwachsenseins, nutzen sie diese Freiheit mittlerweile und ziehen das Musizieren dem Stilisieren vor.

Dennoch, Knust oder Neues Cinema? Vielleicht hängt eine Entscheidung ja von nackten Fakten ab. Dabei haben Ja König Ja zunächst die besseren Karten: Gleichstand auf dem Gebiet PS (Personenstärke: je vier), aber in KS/LP (Kreativer Schub, in Langspielplatten) führen Ja König Ja klar mit drei zu eins. In den Bereichen HiP (Hurras in Presse) und FK (Feuilletonkompatibilität) haben Universal Gonzáles zurzeit die Nase vorn. Zum Beweis ihrer Angesagtheit bekam Sängerin Claudia Gonzáles von der Münchner Abendzeitung jüngst das Prädikat „Knef der Pulp-Fiction-Generation“ verliehen. Und selbst der alten Tante Zeit lief bei soviel Chic ein Schauer der Erregung durch die Tastatur: „Claudia Gonzáles ... vor einer kalten Marmorwand in einem Hauch von Bluse.“ Soviel Berlin war tatsächlich selten.

Ja König Ja : Sonntag, 21 Uhr, Knust; Universal Gonzáles : Sonntag, 20 Uhr, Neues Cinema