Sammelpersonalien

Springer macht Ernst und legt „Welt“ und „Morgenpost“ halb zusammen. Noch-Intendant Dieter Stolte (ZDF) wird ab April Herausgeber beider Titel

von STEFFEN GRIMBERG

Eigentlich war für gestern Abend zum Hintergrundtermin in die Bibliothek des Springer-Hochhauses an der Berliner Kochstraße geladen worden. Doch das Get-Together der MedienjournalistInnen mit der Springer-Führung unter dem neuen Vorstandschef Matthias Döpfner wurde vertagt – dafür war man mit sich selbst beschäftigt: „Sammerpersonialen“ stehen an.

Von solchen „Sammelpersonalien“ war schon 1999 die Rede, als Herbert Wessels den ehemaligen Welt-Mann Peter Philipps als Chefredakteur der Berliner Morgenpost ablöste. Jetzt folgen die Rache der Welt, die Aushöhlung der Morgenpost – und ungleich größere „Sammelpersonalien“: Obwohl beide Titel erhalten bleiben, werden die Redaktionen weitestgehend zusammengelegt, heißt es in Springer-Kreisen: Die Führung übernimmt dabei Welt-Chefredakteur Wolfram Weimer, auch die Geschäftsführung beider Blätter soll zusammengehen, Wessels muss gehen.

Die hochdefizitäre überregionale Welt soll nach bisherigen Planungen den Politik- und den Wirtschaftsteil sowie alle wesentlichen Rubriken- und Serviceseiten für die Morgenpost liefern, dem Westberliner Lokalmarktführer bleibt wegen der besonderen Berlin-Orientierung ein eigener Kultur-und Sportteil und die lokale Berichterstattung. Hier wird ohnehin eng kooperiert: Die Morgenpost bestückt schon heute rund 40 Prozent des Welt-Lokalteils.

Bis 2003 soll bei Springer jede zehnte Stelle gestrichen werden, um die Rendite zu steigern. Auch betriebsbedingte Kündigungen, hieß bei Bekanntgabe des drastischen Sparkurses Anfang November die Devise, seien nicht ausgeschlossen. Um die wird man auch nicht herumkommen: Rund 30 Morgenpost-Redakteure dürften von der Ressortzusammenlegung mit der Welt betroffen sein, schätzt ein Mitarbeiter.

Der Parasit Welt habe sich zuerst auf die Welt am Sonntag gesetzt, hieß es gestern im Springer-Hochhaus, „jetzt, wo die WamS blutleer ist, kommt die Morgenpost dran“.

Bei der Sonntagszeitung ist schon länger bekannt, dass Chefredakteur Thomas Grams künftig auf seine beiden Stellvertreter Ulf C. Goettges und Hans-Joachim Nöh verzichten soll. Und mit weiteren Einsparungen ist auch hier zu rechnen, um das Verlagsziel einer „schlankeren Welt am Sonntag“ zu erreichen. Grams sei dabei „Wachs“ in den Händen der Springer-Führung, sagt ein Insider, „Döpfner und Weimer spielen den kaputt“. Damit scheint Springer-intern auch die nach den Titelfarben benannte Farbenlehre geklärt zu sein: Die „blaue Gruppe“ um Welt und WamS übernimmt die Führung, die „grüne Gruppe“ (Morgenpost und Hamburger Abendblatt) hat das Nachsehen. Ein anderes Konzept hatte offenbar vorgesehen, die profitableren „grünen“ Titel – auch durch Zukäufe – auszubauen. Als nächsten Schritt, befürchten Insider, könnte das Boulevardblatt B.Z. und damit ein Teil der „roten Gruppe“, in die „grüne“ Abteilung wandern – alles unter Führung der blauen Welt.

Deren Chefredakteur hatte schon im September vor dem Märkischen Presse- und Wirtschaftsclub in Berlin seine Visionen verkündet: Beim VW Golf und beim Polo seien doch auch 30 bis 50 Prozent der Teile identisch, hatte Weimer vorgetragen: „Trotzdem sind das verschiedene Autos.“

Und auch wenn Welt und Morgenpost wegen inkompatibler Redaktionssysteme zumindest technisch noch weiter auseinander liegen, gibt es schon eine Integrationsfigur: Herausgeber beider Titel, so wurde nach anfänglich „lachendem Dementi“ (ZDF-Sprecher Phillip Baum) bestätigt, wird ab April 2002 – ZDF-Langzeitintendant Dieter Stolte.