Frohe Weihnachten in Kabul

Am Dienstag kommender Woche soll der Bundestag bereits über die Entsendung der Bundeswehr nach Afghanistan entscheiden

aus Berlin SEVERIN WEILAND

Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wird noch vor Weihnachten parlamentarisch abgesegnet. Bereits am Dienstag kommender Woche soll der Bundestag in einer Sondersitzung über die Entsendung deutscher Soldaten entscheiden.

Dies sei das „wahrscheinlichste Szenario“, meinte gestern die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Kristin Heyne in Berlin. Nach einer Absprache der Fraktions-Geschäftsführer solle am Montag zunächst der Regierungsantrag ins Parlament eingebracht, anschließend in die Ausschüsse überwiesen und am darauf folgenden Tag verabschiedet werden. Voraussetzung ist, dass der UN-Sicherheitsrat in den kommenden Tagen über ein Mandat der Schutztruppe befindet. Dies wird möglicherweise noch vor dem Wochenende geschehen. Am Montagabend hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder nach seinem Treffen mit US-Außenminister Colin Powell für ein „glasklares Mandat“ der Schutztruppe ausgesprochen, an der sich Deutschland in „geeigneter Form“ beteiligen werde – dies wurde auch als Absage an eine deutsche Führungsrolle gewertet. Powell, der anschließend von Berlin nach Paris weiterreiste, begrüßte unterdessen die Bereitschaft Großbritanniens, die Führung der voraussichtlich 3.000 Mann umfassenden Schutztruppe übernehmen zu wollen. In britischen Medien wurde ein solcher Schritt Londons gestern kritisiert – solange die Schlacht um Afghanistan andauere, könne Großbritannien nicht Teil einer Friedenstruppe sein, so die konservative Times.

In der deutschen Innenpolitik zeichnet sich derweil eine breite Zustimmung für den Einsatz ab, der sich möglicherweise auf den Schutz Kabuls, des Flughafens und der Verbindungsstraße beschränken könnte. Die Union will ihr Ja nicht von Bedingungen abhängig machen. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Hans-Peter Repnik meinte gestern, man werde zwar weiterhin die schlechte Finanzverfassung der Bundeswehr insgesamt ansprechen, dies aber nicht mit Forderungen an den jetzigen Auftrag verknüpfen.

Die Zustimmung des rot-grünen Lagers gilt ebenfalls als weitgehend gesichert, zumal Kriegsgegner kürzlich ihr Ja für den Fall angekündigt haben, dass ein klar umrissenes UN-Mandat vorliegt. Inoffiziell wird der deutsche Beitrag auf 600 bis 1.200 Mann beziffert; möglicherweise müssen wegen der angespannten Haushaltslage auch Einheiten aus Mazedonien oder dem Kosovo abgezogen werden. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, warnte aber vor einer solche Maßnahme, da dies fatale Folgen für die Stabilität auf dem Balkan habe.

Der SPD-Verteidigungsexperte Peter Zumkley wiederum nannte 600 Mann als mögliche Einsatzstärke der Bundeswehr in Afghanistan. Vorauskommandos der Bundeswehr könnten nach Angaben von Beer bereits kurz nach dem Bundestagsbeschluss nach Kabul entsandt werden, die weiteren Kontingente würden nach erfolgter Ausbildung später folgen.

Vorgesehen ist, dass die Truppe mit dem Antritt der Übergangsregierung am 22. Dezember in Kabul stationiert wird, wie dies im Petersberger Abkommen vereinbart worden war.

Unterdessen zeichnet sich aus der afghanischen Haupstadt vorsichtige Kritik am Umfang der Schutztruppe ab. Der designierte Verteidigungsminister Mohammad Fahim sprach sich für eine „sehr begrenzte Rolle“ aus und nannte als Höchstzahl lediglich 1.000 Mann.