Ein einfaches Verbot, kein Allheilmittel

Innenminister Schily fordert „gesetzestreue Muslime“ zur geistigen Auseinandersetzung mit dem Islamismus auf

Schilys Bedingungen für eine Auslieferung Kaplans: keine Folter, keine Hinrichtung

BERLIN taz ■ Otto Schily wollte es als Warnung verstanden wissen. Das gestern erfolgte Verbot der Vereinigung „Kalifatstaat“, ihrer Stiftung „Diener des Islam“ sowie weiterer 19 Teilorganisationen mit rund 1.100 Mitgliedern sei ein „Beitrag zur Bekämpfung des islamistischen Terrors weltweit.“ Schließlich dienten solche Organisationen auch als „Brutstätten des Terrorismus.“ Der Innenminister hatte zugleich eine Aufforderung parat: Die „gesetzestreuen Muslime“ hätten die geistige Auseinandersetzung mit islamistischen Extremisten zu führen und deren Vorstellungen „zurückzudrängen“.

Schilys Verbot, das lange erwartet und erst durch die kürzlich vom Bundestag erfolgte Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz ermöglicht worden war, wird neben der Ausweisung des Chefs des Kalifats, Metin Kaplan, auch weitere Mitglieder treffen. Darauf wies Schily ausdrücklich hin. In Berlin erinnerte Schily an eine bereits von der Ausländerbehörde in Köln bestehende und sofort vollziehbare Ausweisungsanordnung für Kaplan. Allerdings dürfte eine unmittelbare Abschiebung in die Türkei nicht anstehen. Zwar ist auch beim Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen (BAFL) in Nürnberg ein Widerspruchsverfahren gegen die Anerkennung des Asylstatus von Kaplan eingeleitet worden. Zu den bei dieser Behörde vorgebrachten Gründen muss sich Kaplan allerdings erst noch äußern. Außerdem dürfte die Rolle der Türkei nicht unwesentlich den Zeitplan bestimmen. Die Ausweisung Kaplans, der eine Haftstrafe wegen Mordaufrufs in Düsseldorf absitzt, machte Schily von zwei Bedingungen abhängig: Die Türkei müsse zusichern, dass eine wegen Hochverrats gegen Kaplan verhängte Todesstrafe „nicht vollstreckt wird“. Und: Kaplan dürfe keine Folter drohen. Schilys gestrige Äußerungen deuten darauf hin, dass Kaplan in der Türkei ein ähnliches Schicksal wie den PKK-Chef Öcalan erwartet: Auch gegen den Kurdenführer wurde nach einem Prozess die Todesstrafe ausgesprochen, auf internationalen Druck aber bis heute nicht vollstreckt. Gespräche mit Ankara über die Konsequenzen einer Abschiebung Kaplans werden laut Schily erfolgen – einen Termin nannte er gestern allerdings nicht. Inwieweit weitere islamistische Organisationen von Verboten betroffen sein könnten, ist offen. Schily wollte sich dazu nicht äußern und kritisierte, dass kürzlich in den Medien bereits Berichte über ein baldiges Verbot der Kaplan-Organisation erschienen waren.

Als Objekt weiterer Verbote wird seit längerem in der Öffentlichkeit Milli Görus genannt, die vom Verfassungschutz beobachtet wird. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, begrüßte zwar gestern das Verbot des Kalifatstaats, der eine „hochgefährliche Organisation“ sei. Zugleich warnte er aber vor Verboten als „Allheilmittel“.

Gegenüber Milli Görus, so der Rechtspoliker, müsse man neben der Anwendung strafrechtlicher Mittel wie im Falle von Hetzreden oder -schriften auch Integrationsangebote für moderate Mitglieder machen und versuchen, diese aus der Organisation herauszulösen. Es gelte, eine Eskalation mit einer Organisation zu vermeiden, die rund 31.000 Mitglieder zähle. SEVERIN WEILAND