Generalstreik gegen Geldverknappung

Brennende Busse: Argentinier protestieren gegen teilweise Sperrung ihrer Konten. Minister zurückgetreten

SAN SALVADOR taz ■ Am Abend des großen Streiktags stritten sich die argentinische Regierung und Gewerkschaften über Prozentzahlen. Das Arbeitsministerium behauptete, lediglich 59 Prozent der Beschäftigen hätten den Aufruf zum Generalstreik am vergangenen Donnerstag befolgt. Die Gewerkschaften sprachen von 98 Prozent. Sicher ist: In der Hauptstadt Buenos Aires und in den meisten Provinzstädten lief so gut wie nichts. Der öffentliche Verkehr war lahmgelegt. Wollte sich ein Bus- oder Taxifahrer dem Streik widersetzen, musste er damit rechnen, dass sein Gefährt abgefackelt wird.

Es war schon der siebte Generalstreik, den Präsident Fernando de la Rúa in zwei Jahren Regierungszeit stoisch über sich ergehen ließ. Bereits am Vorabend hatten Zehntausende in Buenos Aires demonstriert. In der Nacht zum Donnerstag hatten zwei Bombenanschläge Sachschaden in Banken angerichtet. In der Hauptstadt und in mehreren Provinzstädten kam es zu Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens 20 Busse und acht Taxis gingen in Flammen auf.

De la Rúa aber gab sich desorientiert: „Mir sind die Motive des Streiks nicht ganz klar. Es scheint so, als habe es etwas mit den Bank-Maßnahmen zu tun.“ Der Präsident tippte richtig: Der Generalstreik richtete sich gegen die von der Regierung am 30. November verhängte teilweise Einfrierung der Konten. Seither dürfen Argentinier nur noch höchstens tausend Dollar Bargeld im Monat abheben.

Die Maßnahme trifft vor allem Arbeiter. Die haben in der Regel kein Konto, sondern erhalten ihren Lohn bar auf die Hand. Jetzt kriegen sie gar nichts mehr, weil die Arbeitgeber nicht über genügend Geldscheine verfügen.

In der Folge sank der Umsatz im Einzelhandel um 80 Prozent. De la Rúa will mit der Sperre verhindern, dass die Argentinier ihr Geld ins Ausland schaffen. Denn das Land steht am Rand der Zahlungsunfähigkeit. Von Woche zu Woche erfindet die Regierung neue Tricks, um die nötigen Dollars für den Schuldendienst zusammen zu kratzen. Insgesamt ist das Land mit 132 Milliarden Dollar bei ausländischen Banken, Kleinanlegern und dem internationalen Währungsfonds verschuldet. Ein massiver Abfluss von Spareinlagen hätte die Finanzkrise um ein paar Banken-Crashs verschärft.

In seiner Not suchte de la Rúa am Donnerstag Rat bei seinem Vorgänger Carlos Menem (1989 bis 1999), der den größten Teil der Verantwortung an dem riesigen Schuldenberg trägt. Am Ende der Unterredung versprach der Peronist Menem dem Radikalen de la Rúa, er werde sich für einen „patriotischen Pakt“ zwischen Regierung und Opposition stark machen, um gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden.

Das hört sich zunächst vielversprechend an: Die Radikalen stellen die Regierung, die Peronisten die Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Parlament. Gemeinsam könnten sie stark sein. Doch es sind zwei Lahme, die da versuchten, sich gegenseitig auf die Beine zu helfen. De la Rúa wird nur noch von weniger als zehn Prozent der Bevölkerung und von einer Minderheit seiner Partei gestützt. Und auch Menem ist nur noch aus formaljuristischen Gründen Vorsitzender der Peronisten. Die Mehrheit steht längst gegen ihn.

Derweil ist gestern Vize-Wirtschaftsminister Daniel Marx offiziell zurückgetreten.

TONI KEPPELER