FÜR DEN FRIEDEN IN NAHOST MÜSSEN PLO UND HAMAS ZUSAMMENRÜCKEN
: Die Politik der Spaltung durchkreuzen

Eine größere Demütigung der Palästinenser, wie sie sie dieser Tage wieder erleben, ist kaum vorstellbar: Israelische Panzer stehen vor Arafats Hauptquartier in Ramallah, Arafat selbst steht de facto unter Hausarrest. Scharon ist es gelungen, den seit der Ermordung von Rabin ins Stocken geratenen Friedensprozess umzukehren, indem er scheibchenweise die Zerstörung des palästinensischen Selbstvertrauens zur Richtschnur seines politischen Handelns machte. Es begann mit seinem provokativen Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem Ende September 2000, der die Al-Aksa-Intifada und die Gewalt erneut eskalieren ließ. Als Ministerpräsident verschärfte er seine Politik der gezielten Liquidierung radikaler Palästinenserführer. Das menschliche Leid unter der israelischen Zivilbevölkerung zu instrumentalisieren und den Hass zu schüren, ist offensichtlicher Bestandteil seiner Politik. Sie zielt darauf ab, Arafat und die PLO gegen die Hamas auszuspielen sowie den israelisch-palästinensischen Konflikt in einen innerpalästinensischen Bürgerkrieg zu verwandeln.

Verhängnisvoll ist, dass Scharon seine Politik, die in jedem anderen Teil der Welt als Kriegsverbrechen angeprangert würde, im Schatten der Antiterrorstimmung nach dem 11. September fast ohne Kritik umsetzt. Der US-Präsident hat Scharon sogar freie Hand gegeben. Auch die Forderung der EU-Außenminister in der vergangenen Woche an Arafat, umgehend die Intifada zu beenden, liegt ganz auf der Linie von Scharons Politik der Umkehrung von Ursache und Wirkung. Arafat selbst ist an diesem westlichen Blick nicht ganz unschuldig, weil er sich bisher weigerte, einzugestehen, dass er den massiven Einsatz seiner Sicherheitskräfte gegen die Hamas nicht wollen kann, da er dadurch unweigerlich einen Bürgerkrieg riskieren würde. Indem er statt dessen sein Dilemma zu kaschieren sucht und Israel und den USA das Unmögliche verspricht, gibt Arafat Scharon die Schlinge selbst in die Hand, die dieser immer enger zusammenzieht.

Offenbar fällt es Arafat schwer, den von ihm und Rabin verantworteten Konstruktionsfehler des Osloer Friedensprozesses zu beheben. Der Ausschluss der Hamas hat jedoch zu einer Welle von Terror und Gegenterror und zur Stärkung der Extremisten auf beiden Seiten geführt. Nun sitzt Arafat in der Falle der darauf zurückzuführenden Gewalteskalation. Die Palästinenser bleiben dabei völlig auf sich allein gestellt. Nur wenn PLO und Hamas zusammenrücken, die Legitimität der palästinensischen Führung gestärkt wird und die Hamas auf eigenmächtiges Handeln als Gegenleistung für deren Beteiligung an der Führung verzichtet, besteht eine Chance, Scharons Politik der Spaltung und Entmündigung zu durchkreuzen und den Bestand der Autonomiegebiete zu sichern. Vielleicht eröffnet sich dadurch auch die Perspektive, den Friedensprozess auf eine stabilere Grundlage zu stellen. MOHSSEN MASSARRAT