die stimme der kritik
: Betr.: Magische Zahlen & die FDP

Mit 18 hat man noch Träume

Wie der Leitstern, der die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland an die Krippe unseres Hern Jesu führte, prangte über dem letzten Dreikönigstreffen der FDP die Zahl 18 als Prozentstimmenziel für 2002. Die Profangeschichte der Forderung ist rasch erzählt, sie entstammt Möllemann‘scher Rechenkunst. Vor der letzten Wahl in NRW krebsten die Freidemokraten bei 4 Prozent, diese Zahl galt es zu verdoppeln, was auch Gegenstand der Wahlpropaganda wurde. Als dieses Soll mehr als erreicht war, wurde vor die 8 vom Landesvorsitzenden persönlich die 1 gepappt. Das war‘s.

Der Kreation der 18 durch die Dezimalisten folgten die Erläuterungen der Soziologen. Sie legten Umfragen vor, nach denen zwischen 20 und 30 Prozent der Wähler sich vorstellen könnten, unter nicht näher erläuterten Umständen auch mal der FDP ihre Stimme zu geben. Angesichts dieses Potenzials ist es bescheiden zu nennen, wenn sich die FDP mit den einmal gefundenen 18 Prozent für den Wahlkampf 2002 begnügt.

Auf die Soziologen folgten die Kulturwissenschaftler. Bezeichnete die Zahl 18 nicht den Beginn des Erwachsenenlebens, wo Führerscheine erworben, erstmals gewählt werden konnte, wo die Welt den Wünschen sich öffnete? Und war es nicht so, dass man mit 18 noch träumen konnte, wie die Kulturalisten versicherten? Letztere These hält allerdings der wissenschaftlichen Nachprüfung nicht Stand. Wie der größte Experte in Sachen deutscher Pop, Jan Feddersen, versicherte, hieß der Megahit des Jahres 1965 „mit 17 hat man noch Träume“ – nicht etwa „mit 18“. Die gleiche (US-gebürtige) Sängerin hatte vorher den Song „I will follow him“ kreiert, was eindeutig auf Möllemann als Liebesobjekt verweist.

Von der Kulturgeschichte nähern wir uns jetzt dem Reich des Okkulten als letztem Erklärungsgrund. Nicht umsonst war es das Drei-Königstreffen, auf dem die 18 feierlich proklamiert wurde. Mit drei war also die aus dem „Foucaultschen Pendel“ Ecos so wohl bekannte magische Zahl – sechs – zu multiplizieren, um ans Ziel der Wünsche – 18 – zu gelangen. Wie blass sieht gegenüber dieser bedeutungsschweren Zahl der Versuch der CSU aus, durch die Formel 50 plus x Prozent dem Wahlkampf in Bayern noch einen Hauch des Unerwarteten bis Übersinnlichen einzublasen. Das Problem ist eben, dass die Christen nur an Gott glauben – und die Nichtchristen an so ziemlich alles.

CHRISTIAN SEMLER