Die späte Rache des Textilkonzerns

Vor mehr als 100 Jahren wurde das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erlassen, weil neue Firmen wie C & A die kleinen Händler bedrohten. Nun hat der Konzern es fast geschafft, das Gesetz zu Fall zu bringen. Wirtschaftsministerium für Reform

von DANIEL FERSCH

Die Grünen reiten weiter an der Spitze der Befürworter einer Lockerung des Wettbewerbsrechts. Nachdem Matthias Berninger, Staatssekretär in Renate Künasts Verbraucherministerium, eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gefordert hatte, meldete sich gestern auch seine grüne Kollegin aus dem Wirtschaftsministerium zu Wort. Margareta Wolf, ihres Zeichens parlamentarische Staatsekretärin unter Minister Werner Müller, sagte, das UWG „müsse dringend von unnötigem Ballast“ befreit werden.

Gemeint ist damit vor allem Paragraf 7 des Gesetzes, der Rabattaktionen nur zu bestimmten Anlässen erlaubt. Mit Berufung auf diesen Paragrafen hatte das Landgericht Düsseldorf die vielbeachtete Euro-Rabatt-Aktion dem Textilunternehmen C & A verboten.

Das Verbot der Aktion sei „absurd“, so Wolf und kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass das Gesetz noch vor der Bundestagswahl geändert werde. Schließlich seien die Bürger „mündige Verbraucher“, die in ihren Kaufentscheideungen nicht bevormundet werden dürfen. Ähnlich argumentierte auch die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer, die sich gegen eine „staatliche Bevormundung“ der Verbraucher wandte. In ihren Augen ist das Gesetz in der jetzigen Form noch dazu widersprüchlich. „Hätte C & A die Rabattaktion nicht von vornherein befristet“, mutmaßte Fischer, „dann wäre dies nicht rechtswidrig gewesen – das ist unsinnig.“

Weitergehende Änderungen des Gesetzes forderte inzwischen der Verband der Verbraucherzentralen. Dessen Vorsitzende Edda Müller sagte gestern, die Diskussion um das UWG greife zu kurz, und forderte den Schutz der Verbraucher ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen. Es sei nicht dazu geeignet, die Verbraucher vor unwahrer, diskriminierender und belästigender Werbung zu schützen. „Von den Sanktionsandrohungen“, bemängelte Müller, „geht keinerlei ökonomischer Anreiz aus, sich auch an das Gesetz zu halten“. Sie forderte die Einführung eines „triple damage“-Prinzips nach dem Vorbild der USA, wonach der Schädiger das Dreifache des Werbeaufwandes an den Geschädigten zu zahlen hat.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb stammt noch aus den Anfangsjahren des vergangenen Jahrhunderts. In der jetzigen Fassung existiert das UWG seit 1909, sein Vorläufer wurde 1896 das erste Mal eingeführt. „Im Kaiserreich gab es eine starke Bewegung des Mittelstands“, erklärt Christoph Buchheim, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Mannheim die Entstehung.

Diese Mittelstandsbewegung sah die Existenz ihrer Einzelhandelsbetriebe durch das Aufkommen großer Warenhäuser gefährdet. Zu diesen neuen Konkurrenten zählte unter anderem auch C & A, das, von den Brüdern Clemens und August Brenninkmeyer 1841 gegründet, Anfang des Jahrhunderts von Holland aus ins Deutsche Reich expandierte.

„Der Mittelstandsbewegung gelang es damals, einige Regelungen, wie beispielsweise die Warenhaussteuer, durchzusetzen“, so Buchheim. Und in diesem Zusammenhang sei auch die Einführung des Wettbewerbsgesetzes zu betrachten.

Mehr als hundert Jahre später sind die Fronten beinahe unverändert. Ausgerechnet in Folge der Rabattaktion von C & A könnte das Gesetz entscheidend verändert werden.

Und dass die Fairness des Wettbewerbs durch eine Gesetzesänderung gefährdet sein könnte, befürchtet vor allem der Verband der Einzelhändler. Die Politiker allerdings, auch die grünen, scheinen den Interessen des Mittelstand nicht dienen zu wollen.