Genehmigung für Thermoselect

Müllverbrennungsanlage in Karlsruhe bleibt in Betrieb. Kritiker sprechen von Gefälligkeit und Messbetrug

KARLSRUHE taz ■ Spannend bleibt der Karlsruher Müllkrimi, dessen Ausgang auch über den Bau einer Anlage in Hanau entscheidet. Nach wiederholten Anläufen war am 6. Januar erneut ein halbjähriger Probebetrieb des badischen Müllofens der Firma Thermoselect zu Ende gegangen und damit die letzte Chance für das Hochtemperaturverfahren, seine Tauglichkeit zu beweisen. Die Einigung kam im letzten Moment, nachdem Thermoselect laut dem genehmigenden Regierungspräsidium dem Vorschlag des TÜV Pfalz zugestimmt hatte, die Anlage auch im Dauerbetrieb von unabhängigen Experten überwachen zu lassen, damit die Sicherheit auch im rauen Alltagsbetrieb gewährleistet bleibt.

Als Einknicken des Regierungspräsidiums vor den wirtschaftlichen Interessen und dem politischen Druck des Betreibers EnBW empfindet die örtliche Bürgerinitiative dagegen die Dauerbetriebsgenehmigung. Ihr Sprecher Rolf Wiedenmann bereitet eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Mannheim vor. Gefälligkeitsgenehmigung gegenüber der „EnBW, dem wichtigsten Arbeitgeber der Region“, schimpft auch Grünen-Stadtrat Harry Block.

Vermutete Manipulationen an Messeinrichtungen sind Gegenstand einer Anzeige (AZ 55 Js 145/02) von Umweltschützer Ingo Gödeke (www.goedeka.de/karlsruhe/thermoselect.html), inzwischen weltweit die Anlaufstelle für Thermoselect-Interessierte. Auch BUND-Sprecher Rudolf Hinz, früher selbst Leiter der technischen Überwachung eines Chemiebetriebs, spricht in einem offenen Brief von einem vierwöchigen Pseudo-Volllasttest und hält die 3-tägigen amtlichen Emissionsmessungen für in betrügerischer Weise durchgeführt und gesetzwidrig, da die Anlage nicht wie vom Gesetzgeber gefordert durch vorhergehenden tagelangen Volllastbetrieb mit Schadstoffen gesättigt gewesen sei.

Sollte die Anlage trotz aller Zweifel den Dauerbetrieb irgendwie bewältigen, so Harry Block, seien die beteiligten badischen Gemeinden die Dummen, die skurrilerweise oft auch Aktionäre der EnBW sind. 25 Jahre lang hätten sie dann feste, weit über dem gegenwärtigen Marktniveau liegende Preise für festgelegte Müllmengen zu bezahlen. Besonders ärgerlich ist für den Grünen, dass die privaten Endverbraucher dann fürs erwünschte Müllvermeiden sogar mit steigenden Preisen bestraft würden, während die großen Gewerbekunden längst billigere Entsorgungswege gefunden hätten. BERNHARD BALDAS