Ecevit auf Sponsorensuche

An den Staatsbesuch des türkischen Premiers in den USA knüpfen sich in seiner Heimat große Erwartungen – besonders von Vertretern der Wirtschaft. Derweil liegen in Athen die Nerven blank

Die Türkei braucht dringend finanzielle Unterstützung vom großen Bruder

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Ein Jet allein reichte nicht. Leicht irritiert nahmen US-Offizielle zur Kenntnis, dass die Delegation, mit der der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit gestern in Washington landete, gleich zwei Flugzeuge brauchte, um alle Mitreisenden unterzubringen. Glaubt man den Berichten türkischer Zeitungen, hätte man leicht auch noch einen dritten Flieger voll bekommen, denn praktisch alle, die in der Türkei etwas zu melden haben, wollten mit. Der gestern begonnene viertägige Staatsbesuch gilt als die wichtigste Visite des Jahres, Kommentatoren sprechen gar von der Chance, ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen der Türkei und den USA aufschlagen zu können.

Dabei soll es nicht nur um schöne Worte gehen. Der potenziell strategische Partner der Amerikaner an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident braucht dringend finanzielle Unterstützung vom großen Bruder, damit ihm nicht die Puste ausgeht, bevor die Partnerschaft überhaupt Früchte tragen kann. So hat sich Ankara zwar voll und ganz hinter Washingtons Anti-Terror-Krieg gestellt und angeboten, nach den Briten das Kommando über die UN-Friedenstruppe in Afghanistan zu übernehmen.

Doch damit die Türkei dies tun kann, braucht sie einen Sponsor. Er hoffe, so Ministerpräsident Ecevit vor dem Abflug, dass die USA die Kosten für den militärischen Einsatz der Türkei übernehmen werden. Doch damit allein wird Georg W. Bush nicht davonkommen. Die Rechnung für das türkische Wohlverhalten der letzten Monate ist wesentlich länger.

Die 150 türkischen Geschäftsleute, die sich mit aller Macht in die Delegation gedrängt haben, erwarten dringend, dass Bush den US-Markt für türkische Textilien öffnet und auch bei anderen Produkten die Zölle senkt beziehungsweise Meistbegünstigungsklauseln zugesteht. Die Erwartungen sind so riesig, dass der Chefkommentator von CNN-Türk, Mehmet Ali Birand, seine Landsleute daran erinnerte, dass die Türkei schließlich nicht der einzige Verbündete der USA im Kampf gegen den Terror sei.

Einer dieser anderen Verbündeten ist vielmehr bei Bush erst gerade wieder zur Tür herausgegangen. Bis einschließlich letzten Samstag besuchte der griechische Premier Konstantin Simitis Washington, um Präsident Bush auf Themen wie Zypern und den Streit zwischen Nato und EU um die Europäische Verteidigungsinitiative (ESDP) einzustimmen. Die Griechen fürchten, dass ihnen angesichts der guten Stimmung im türkisch-amerikanischen Verhältnis die Felle davonschwimmen, und Simitis versuchte deshalb krampfhaft, schnell noch ein paar Sachen klar zu stellen.

So ließ er den Mann im Weißen Haus wissen, dass der zwischen Briten, Amerikanern und Türken ausgehandelte Kompromiss für die Nutzung der Nato-Einrichtungen durch die zukünftige EU-Truppe für Griechenland inakzeptabel sei. Auch bei den Zypern-Verhandlungen, die in dieser Woche offiziell beginnen, dürfe nicht vergessen werden, dass die Regierung im Süden die anerkannte Vertretung der Insel sei. Ein bizarrer Streit, der den Simitis-Besuch in den USA überschattete, zeigt, wie sehr die Nerven in Athen blank liegen. Das US-Flottenkommando hatte vor wenigen Wochen neue digitale Seekarten veröffentlicht, auf der die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis nicht eingetragen ist – Grund für die Presse in Athen aufzuschreien und Simitis zu drängen, eine sofortige Korrektur zu verlangen.

Zum Glück für Bush hat Griechenland keine gemeinsame Grenze mit dem Irak, und so braucht er sich in dieser Frage nur mit Ecevit auseinander zu setzen. Dem hatte vor wenigen Tagen sein Generalstabschef Kivrikoglu aufgeschrieben, was er in den USA zu dem Thema sagen soll: Saddam ist uns gleichgültig, aber es darf keinen kurdischen Staat im Norden des Irak geben.

In der türkischen Presse wurde das so interpretiert, dass die Armee nicht mehr grundsätzlich gegen einen Angriff auf den Irak ist, aber größten Wert auf die territoriale Integrität des Nachbarn legt. Irak ohne Saddam kann man sich in Ankara gut vorstellen, langfristig wäre eine mögliche Normalisierung von Vorteil. Auch fürchtet man, dass der Status quo im Nordirak, je länger er dauert, mehr und mehr zu einem kurdischen Staat führt. Erst gestern behauptete Hürriyet, jeder Besucher des Nordirak bekäme einen Stempel des „kurdischen Staates“ in seinen Pass.