Gelassene Skepsis

Ironisch, aber nie zynisch, verstand es Tangermann, heilige Kühe der Linken zu schlachten. Er behielt Recht

WIEN taz ■ Es gibt wohl selten Deutsche, welche ihre hintergründige Ernsthaftigkeit in eine Leichtigkeit des Seins zu verwandeln wissen, ohne dabei lächerlich zu wirken. Klaus-Dieter war einer von ihnen: ununterbrochen auf Hochtouren und doch gelassen, immer ironisch und doch nie zynisch, messerscharf und doch butterweich …

Solidarisch, aber spitz eckte sein freies Denken selbst unter RevolutionärInnen an, besonders dann, wenn er die heiligen Kühe des „Klassenkampfes“, der „Kaderdisziplin“ und/oder der „Demokratie“ schlachtete.

Als in Nicaragua die Revolution 1979 so richtig losging, war Klaus-Dieter einer der Ersten, der das abgelegene Land ins Zentrum der soeben gegründeten taz rückte. Kaum hatten die Sandinisten jedoch die Macht errungen, war er einer der Ersten, der sich mit der Kritik der nicaraguanischen Linken am autoritären Gehabe der Comandantes solidarisierte. Ebenso scharf kritisierte er kurz darauf aber auch die Linken in der deutschen Solibewegung, die die Machenschaften der Sandinisten gegen die Miskitos an der Atlantikküste vertuschen wollten. Der Analytiker Klaus-Dieter war eben kein Politiker, der Taktik und Strategie über seine Reflexion stellte. Er war aber auch kein Fundamentalist, der sich außerhalb des Geschehens stellte und als Intellektueller zusah, wie sich andere die Köpfe einschlugen. Klaus-Dieter war ein im wahrsten Sinn des Wortes politischer Mensch, dem es gelang, den scheinbar immanenten Widerspruch dieses Wortes durch immer wieder neue Initiativen zu überwinden.

Dennoch waren für viele die Wurzeln seiner Radikalitat nicht immer leicht zu fassen. Denn es war keine Ideologie, die ihn etwa zur Wahnsinnstat trieb, ausgerechnet den Deutschen Geld für den bewaffneten Widerstand in El Salvador abzuluchsen; sondern vielmehr konkrete Erlebnisse wie das stundenlange Ausharren im Kreuzfeuer einer von den Nationalgardisten El Salvadors umstellten Kirche, die ihn dazu brachten, etwas tun zu wollen, um das mörderische Ungleichgewicht der militärischen Kräfte zu überwinden.

Es war auch keine prophetische Vision, sondern seine tief sitzende Skepsis gegenüber jedem „Modell“, die ihn – Jahre später – zu seiner radikalen Kritik an den Demokratisierungsversuchen der postrevolutionären Ära in Zentralamerika veranlasste. Er sollte Recht behalten.

LEO GABRIEL

Der Autor war in den 80er-Jahren Zentralamerika-Korrespondent für die taz und andere Medien