Streit um ein Prestigeprojekt

Im Zeichen des Wahlkampfs rangeln Bayern und Nordrhein-Westfalen um die Milliardenzuschüsse für den Bau des Transrapid

von ANDREAS WYPUTTA
und DANIEL FERSCH

Kanzler Gerhard Schröder bekommt heute ein neues Problem frei Haus geliefert: Mit der Übergabe einer „Transrapid-Machbarkeitsstudie“ an seinen Verkehrsminister, den rheinischen Sozialdemokraten Kurt Bodewig, rückt die Entscheidung über den Bau einer Magnetschwebebahn auch in Deutschland näher. Einzelne Ergebnisse des Reports sind in den letzten Tagen bereits durchgesickert: Der Betrieb des Magnetzuges ist technisch und wirtschaftlich machbar – vorausgesetzt, die Bundesregierung subventioniert das Projekt mit rund 2,3 Milliarden Euro.

Seit Oktober 2000 sind noch zwei mögliche Strecken in der Diskussion. Das Problem für den Verkehrsminister: Die eine liegt in Bayern, die andere im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen.

Wählt Bodewig die nordrhein-westfälische Variante, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, er habe nur wenige Monate vor der Bundestagswahl eine Entscheidung für das sozialdemokratische Stammland gefällt. Greift er zur zweiten Option, unterstützt er Schröders direkten Konkurrenten im Kampf um das Kanzleramt, den bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber.

Eine gerechte Aufteilung der im Bundeshaushalt bereitstehenden Milliarden ist nicht möglich. Dazu ist die NRW-Variante, die das Ruhrgebiet mit der Landeshauptstadt Düsseldorf verbinden soll, viel zu teuer. Derzeit werden die Kosten für die 78 Kilometer lange Trasse auf etwa 3,7 Milliarden Euro geschätzt. Selbst wenn Bayern leer ausginge: In der Kasse von NRW-Verkehrsminister Ernst Schwanhold (SPD) würde noch immer ein Loch von 1,4 Milliarden Euro klaffen.

Trotzdem hat Ministerpräsident Wolfgang Clement den Bau des „Metrorapid“ an Rhein und Ruhr zur Chefsache erklärt. Seit Monaten erweckt der Sozialdemokrat den Eindruck, als sei die Entscheidung zu seinen Gunsten nur noch eine Formalie.

Verkehrsverbände wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) oder Pro Bahn halten das Milliardenprojekt dagegen für nutzlos und zu teuer. Ein mit modernster Neigetechnik ausgerüsteter ICE der dritten Generation könnte das Ruhrgebiet in 39 Minuten mit Düsseldorf verbinden. Der Metrorapid wäre nur 5 Minuten schneller, aber rund 3,3 Milliarden Euro teurer. „Eine Minute Zeitersparnis kostet über 660 Millionen Euro“, rechnet Karlheinz Rößler vor, Chef eines auf Verkehrsprojekte spezialisierten Münchener Ingenieurbüros.

Dabei ist nicht einmal geklärt, ob es sich bei den Fördermillionen des Bundes um einen Zuschuss oder nur um ein zinsloses Darlehen handelt. Zwar suggeriert die Landesregierung, die Milliarden müssten nicht zurückgezahlt werden. Das Bundesfinanzministerium sieht das anders. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Bisher sind die Mittel als Darlehen ausgewiesen“, so ein Sprecher.

Müsste NRW die Fördermilliarden aber zurückzahlen, würde das Finanzierungskonzept zusammenbrechen. Das Projekt rechnet sich nur, wenn die Bundesmittel als Zuschuss gezahlt werden: Zu diesem Ergebnis kam im vorigen Jahr selbst eine Studie der Deutschen Bank im Auftrag der Landesregierung.

Ohne Bundesmittel kein Transrapid – das gilt auch für die Anbindung des Münchener Flughafens an die Innenstadt. Schon vor einem Jahr machte die bayerische Staatsregierung ihren Standpunkt klar: Die Magnetbahn sei „kein Nahverkehrsmittel“, die Finanzierung der Strecke mit geschätzten Kosten von 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro also Sache des Bundes. Zwar kann die Staatsregierung nicht mit Parteifreunden im Kanzleramt aufwarten. Dennoch sehen sich die Münchener beim Transrapid-Milliardenpoker im Vorteil. Schließlich habe eine Vorstudie ergeben, so Verkehrsminister Otto Wiesheu, dass die Anbindung des Erdinger Flughafens anders als die Strecke an Rhein und Ruhr Gewinne einfahren würde – bis zu 32 Millionen Euro im Jahr. Kein Wunder, dass die CSU-Landesgruppe im Bundestag fordert, die gesamten 2,3 Milliarden müssten nach München fließen statt in den nordrhein-westfälischen „Minus-Rapid“.

Die bayerischen Grünen bezweifeln die Rechnung der Landesregierung. Die Kosten-Nutzen-Kalkulation sei unrealistisch, sagt Martin Runge, verkehrspolitischer Sprecher der Partei im Landtag. Die kalkulierten 6,5 Millionen Fahrgäste im Jahr würden nur erreicht, wenn sich das Passagieraufkommen auf dem Münchener Flughafen bis zum Jahr 2015 verdoppele – auf 48,6 Millionen Fluggäste jährlich.

Massive Kritik übt auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Albert Schmidt. Selbst das Münchener Projekt mache verkehrspolitisch keinen Sinn, findet der aus Ingolstadt stammende Bayer. Schließlich nutzten täglich 720.000 Menschen die Münchener S-Bahn, zum Flughafen wollten aber nur rund 17.000 Fahrgäste. „Die Bonzenschleuder Transrapid nutzt nur wenigen“, schimpft Schmidt. Außerdem koste es nur rund 250 Millionen Mark, die Fahrzeit der S-Bahn von 40 auf 20 Minuten zu halbieren. Der Transrapid, der nochmals 10 Minuten schneller wäre, soll mindestens das Sechsfache kosten. Jede Fahrminute, die der Magnetzug einspart, schlägt also mit mit 150 Millionen Euro zu Buche. Dieses Geld will Schmidt lieber in den Ausbau des gesamten S-Bahn-Netzes investiert sehen.

Weniger kritisch als die bayerischen Oppositionspartei geben sich die regierenden Grünen in Nordrhein-Westfalen. Mit einigen Nachbesserungen, etwa beim befürchteten Wegfall von Nahverkehrszügen, wird der kleine Koalitionspartner Clements das Vorzeigeprojekt wohl mittragen – obwohl auch die Düsseldorfer Grünen am Sinn des Metrorapid zweifeln. „Leider war es nicht möglich, die Transrapid-Bundesmittel für den gewöhnlichen Zugverkehr umzuwidmen“, klagt der Verkehrsexperte der grünen Landtagsfraktion, Peter Eichenseher. „Beim Schienenverkehr könnte man mit weniger Geld mehr erreichen.“