Wanzen im Präsidentenflieger

Das neue Flugzeug des chinesischen Staatschefs Jiang Zemin stammt aus den USA. Es enthält mehr Teile als geordert: etwa zwei Dutzend Mikrofone. Peinlich, denn in einem Monat kommt Bush nach Peking. Und das nach dem Ärger des letzten Jahres

PEKING taz ■ Eine erstaunliche Spionage-Affäre könnte die Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China erneut belasten. Chinesische Abhörexperten haben rund zwei Dutzend Wanzen in dem neuen Dienstflugzeug von Staats- und KP-Chef Jiang Zemin gefunden, das bereits im August aus den USA geliefert worden war. Ein Mikrofon soll direkt an Jiang Zemins Bett versteckt gewesen sein. Jiang Zemin habe „wütend“ reagiert, berichtete die Hongkonger South China Morning Post am vergangenen Wochenende.

Der Zeitpunkt der Wanzen-Affäre könnte nicht ungünstiger sein: US-Präsident George W. Bush wird am 21. Februar zu einem Kurzbesuch in der chinesischen Hauptstadt erwartet. Im April vergangenen Jahres waren die Beziehungen zwischen Peking und Washington in eine Krise geraten, als ein chinesischer Abfangjäger mit einer US-Spionagemaschine über dem südchinesischenMeer zusammenstieß und die Amerikaner auf der Insel Hainan notlanden mussten.

Weder Peking noch Washington haben die Berichte, die bislang nur in der ausländischen Presse durchgesickert sind, bislang kommentiert. Die chinesische Regierung hatte die Boeing 767-300 ER vor zwei Jahren in Seattle für 120 Millionen Dollar gekauft und anschließend in Texas bei anderen Firmen umrüsten lassen: mit Präsidentenbett, einem Badezimmer und Liegesitzen in beigem Leder für die Begleitung des Staatschefs. Chinesische Medien tauften das Flugzeug nach der Dienstmaschine des US-Präsidenten „Air Force One“. Bislang ist Jiang Zemin mit dem Edelflieger nicht gereist.

Um den Umbau rund um die Uhr im Auge zu behalten, hatte das chinesische Militär eigens Spezialisten nach Texas gesandt, um genau das zu verhindern, was nun passiert ist. Doch erst nach der Ankunft des Flugzeuges in China im August hätten sie die Mikrofone entdeckt, heißt es.

Inzwischen sollen 20 Luftwaffenoffiziere und zwei Angestellte chinesischer Staatsfirmen, die für den Kauf zuständig waren, verhört oder festgenommen worden sein. Ihnen wird Nachlässigkeit vorgeworfen, einige stehen auch unter Korruptionsverdacht.

Laut Zeitungsberichten habe der Umbau des Flugzeuges in Texas 30 Millionen Dollar gekostet, die chinesische Seite habe aber bislang nur zehn Millionen gezahlt. Wo und wie die Abhörgeräte, die offenbar auf Satelliten ausgerichtet waren, in die Maschine gelangt waren, ist nicht klar. Die Firma Boeing erklärte, das „Verwanzen von Flugzeugen“ gehöre „nicht zu unserem Geschäft“.

Die staatlich kontrollierte chinesische Presse hat bislang nicht über den Skandal berichtet. Die Pekinger Regierung hat für heute eine Pressekonferenz angesetzt. JUTTA LIETSCH

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