Besonnen martialisch

Gewiefter Akteur der Macht: Benjamin Barber hielt einen Vortrag über die „Zivile Strategie gegen den Terrorismus“

„Ich bewundere Bushs Politik des militärischen Engagements“ – mit dieser Bombe eröffnete der amerikanische Kommunitarist Benjamin Barber seinen Vortrag über eine „Zivile Strategie gegen den Terrorismus“ an der American Academy in Wannsee, wo er zurzeit Fellow ist.

Über eine Stunde lang verkündete Barber ohne Manuskript, aber mit umso mehr rhetorischer Brillanz sein Credo: So wichtig der bewaffnete Kampf gegen den Terrorismus auch sei, bedürfe es auf lange Sicht umfassender politischer Strategien. Die ungezügelte, rein ökonomische Globalisierung führe in eine Sackgasse und wecke gewaltsame Gegenkräfte. Was jetzt Not tue, sei eine Globalisierung der Demokratie, eine politische, soziale und kulturelle Zähmung des anarchischen Weltkapitalismus. Dies entspringe keiner moralischen Notwendigkeit, sondern reiner Interessenpolitik, denn es gehe um das Überleben der demokratischen Welt.

Dass Barber die demokratische Welt als westlich-amerikanische begreift und ihr ein konservatives Gesellschaftsmodell unterlegt, merkte man spätestens an der spezifischen Emotionalität, mit der er Begriffe wie Familie und Heimat oder Drogen und Prostitution in seine Argumentation einstreute. Damit relativierte er seine Behauptung, es gehe ihm nicht um „westliche Werte“, sondern um Demokratie als Instrument der Machtverteilung und -kontrolle. Einen kleinen rassistischen Patzer – die Taliban hätten sich in ihrer „typisch orientalischen Weise in Luft aufgelöst“ (evaporated in their distinctive Eastern fashion) – verziehen ihm seine Zuhörer.

Salopp und selbstbewusst wehrte er auch während der anschließenden Diskussion Einwände ab, etwa den, dass er einerseits das Zeitalter der klassischen Staaten für beendet erkläre, letztlich aber zur Bändigung der Globalisierung auf eben diese Staaten baue.

Das Publikum hing begeistert an seinen Lippen. Mehr als hundert vorwiegend deutsche und amerikanische Gäste aus Wissenschaft, Journalismus und Politik ließen sich von Barbers routiniertem Charme verführen, von der wohlkalkulierten Schnoddrigkeit, mit der sich die Größen des amerikanischen Wissenschaftsbetriebs an ein breiteres Publikum wenden.

Obwohl Barber seine Regierung in einzelnen Punkten freimütig kritisierte, trat er doch wie ein Vertreter der amerikanischen Außenpolitik auf. Er mahnte, zwischen Bushs martialischer Rhetorik und dessen angeblich besonnenem Handeln zu unterscheiden. Erstere habe propagandistische Funktionen, sie richte sich sowohl an die Heimatfront als auch an Diktatoren wie Saddam Hussein. Vor allem auf Letzteres sollten die europäischen Regierungen und die versammelten Multiplikatoren ihr Augenmerk richten. Wie möglicherweise Bush bedient sich nämlich auch Barber verschiedener Kommunikationsebenen. Er wendet sich an die öffentliche Meinung Europas, aber auch an die Entscheidungsträger in Washington – mit jeweils unterschiedlichen Botschaften. Denn letztlich war Barbers zwischen den Zeilen geäußerte Kritik an seiner Regierung viel schärfer, als es sein humorvoller Ton und seine regelmäßigen Treuebekundungen ahnen ließen. In der Diskussion entschlüpfte es ihm: Die USA führten einen Krieg im Stile des 19. Jahrhunderts gegen die Bedrohungen des 21.

Das bedeutet: Auch Barber fürchtet die Folgen einer Ausweitung des Konflikts gegen Irak oder Nordkorea – er sagt es nur nicht offen. Schließlich ist der Kissinger-Schüler Barber eben nicht nur Politikwissenschaftler, sondern auch gewiefter Akteur im Vorhof der Macht, und der Abglanz dieser Macht verfehlte seine Wirkung auf die Gäste der American Academy nicht.

ANDREW JAMES JOHNSTON