Der steinige Weg zur Bürgergesellschaft

Die „Zeit“-Stiftung zeichnet fünf osteuropäische Zeitungen aus – das Preisgeld haben die Blätter bitter nötig

Für fünf Zeitungen und einen Journalisten in den ehemals kommunistischen Ländern Ost- und Südosteuropas zahlt sich ihr Engagement für Demokratie und Menschenrechte endlich aus: Die Tageszeitungen Novaja Gazeta (Moskau/Russland), Vysoki Zamok (Lviv/Ukraine), Narodnaja Volja (Minsk/Weißrussland), Sega (Sofia/Bulgarien) und die Wochenzeitung Svobodnye Novosti (Minsk/Weißrussland) werden mit dem diesjährigen Förderpreis der Zeit-Stiftung Gerd Bucerius für die junge Presse Osteuropas ausgezeichnet. Der Sonderpreis für Journalisten geht an Cristian Tudor Popescu, Chefredakteur der rumänischen Tageszeitung Adevarul.

Der Preis, der nach Angaben der Stiftung „unerschrockene Redakteure auf ihrem Weg zu einer selbstbewussten Bürgergesellschaft ermutigen soll“, wird in diesem Jahr bereits zum dritten Mal verliehen. Dabei ließ die Währungsumstellung auf den Euro das Hamburger Füllhorn auf – für osteuropäische Verhältnisse – fantastische Umfänge anwachsen: Waren die Einzelpreise im vergangenen Jahr noch mit jeweils 50.000 Mark dotiert, dürfen die prämierten Medien am 31. Mai in Hamburg Schecks in Höhe von jeweils 40.000 Euro entgegegennehmen.

Dass auch in diesem Jahr die Wahl der Jury wieder auf Medien aus Russland, Weißrussland und der Ukraine fiel, widerspiegelt die traurige Realität in den ehemaligen Sowjetrepubliken im Jahre elf nach ihrer Unabhängigkeit. Denn nach wie vor sind dort regimekritische Medien massiven Repressionen ausgesetzt. So stellte Russlands Präsident Wladimir Putin nach dem unabhängigen Fernsehsender NTV kürzlich auch dessen Nachfolger TV Schest kalt. Die Ausweisung von Anna Politovskaja, Mitarbeiterin der jetzt ausgezeichneten Novaja Gazeta, aus Tschetschenien, hat auch die letzte unabhängige Stimme über Russlands Krieg im Kaukasus zum Verstummen gebracht. In der Ukraine wurden seit 1991 offiziellen Angaben zufolge sieben Journalisten getötet.

In Weißrussland stehen unabhängige Medien seit 1996, als der autoritäre Staatspräsident Alexander Lukaschenko die Verfassung durch ein Referendum aushebeln ließ, ganz oben auf der Abschussliste der Regierung. Dabei ist Lukaschenko kein Mittel zu schmutzig: willkürliche Razzien der Steuerpolizei, Vertriebskosten, die die staatlicher Medien um ein Vielfaches übersteigen, die Bedrohung von Firmen, die in unabhängigen Medien Anzeigen schalten.

Daneben werden noch ganz andere Geschütze aufgefahren. Bereits nach zwei Verwarnungen kann eine Zeitung geschlossen werden – so geschehen im Fall des Regionalblattes Pahonya Ende vergangenen Jahres. Pahonya hatte über die mögliche Beteiligung einer Todesschwadron in staatlichem Auftrag am Verschwinden führender Oppositioneller berichtet. Gegen den Herausgeber, Mikalay Markevitsch läuft jetzt ein Verfahren wegen Verleumdung. Bei einer Verurteilung drohen Markevitsch bis zu fünf Jahre Haft.

Auch gegen den Chefredakteur der Narodnaja Volja, Iosif Siareditsch, wird ermittelt – wegen der Berichterstattung über die Opposition während des Präsidentenwahlkampfes im Herbst 2001. In einem zweiten Verfahren muss sich die Zeitung dafür verantworten, dass sie aus dem Internet einen Artikel nachdruckte, der der Regierung vorwirft, illegale Waffengschäfte mit dem Irak getätigt zuhaben.

Siareditschs Stellvertreter, Anatolij Koslowitsch, sieht schwarz für die Zukunft. „Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor“, sagt er. Der Preis von 40.000 Euro, den sich Narodnaja Volja mit den Svobodnye Novosti teilt, soll dafür verwendet werden, die Samstagsausgabe von vier auf acht Seiten aufzustocken. Mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren erscheint das chronisch unterfinanzierte Blatt derzeit immerhin an fünf Tagen in der Woche, mit einem Umfang von vier Seiten. „Das Geld aus Hamburg ist eine grosse Unterstützung“, sagt Koslowitsch. „Es hilft uns, unsere Hosen anzubehalten. Denn die würden uns sonst herunterrutschen, weil wir so abgemagert sind.“

BARBARA OERTEL