Wiedersehen in der Hölle

„Sie glauben wohl, ein Schriftsteller sei nicht besser als der Kot in der Grube? Ich kann auch anders“: Stefan Meisers Briefe, die jetzt im Selbstverlag erschienen sind, dokumentieren die Odyssee eines unverstandenen Schriftstellers

Stefan Meiser ist zeit seines Lebens einem breiteren Publikum unbekannt geblieben. Aus dem Nachlass des 1992 verstorbenen Schriftstellers hat, pünktlich zur aktuellen Buchmesse, die Witwe seine Briefe herausgegeben, und so bieten zwei schöne blaue Leinenbände für wohlfeile 33 Euro Lesevergnügen in lange entbehrter Form.

In dem allerersten Brief an den Verleger Wieland Herzfelde vom März 1928 heißt es bei Meiser: „So möchte ich Sie bitten, mir doch recht bald Korrekturabzüge meines Buches zu schicken, da ich sonst annehmen muss, dass sich die Veröffentlichung noch weiter verzögert.“ Damit sind wir schon beim Lebensthema Stefan Meisers: den Verlegern. Über die immer wieder erwähnten Manuskripte wissen wir nichts Genaueres, besonders deshalb, weil es auch in den folgenden 70 Jahren bei keinem der Verlage zu einer Veröffentlichung kam.

Der anfangs moderate Ton gegenüber Herzfeldes Malik-Verlag änderte sich indes schnell. Schon im zweiten Brief vom April 1928 schreibt Meiser: „Weit über einen Monat warte ich schon auf eine Reaktion Ihrerseits. Hätte ich mein letztes Schreiben nicht wohlweislich als Einschreiben aufgegeben, würde ich womöglich der Post die Schuld gegeben haben. Sie glauben wohl, ein Schriftsteller sei nicht besser als der Kot in der Grube? Aber ich kann auch anders, rechnen Sie nicht mit weiteren Manuskripten meinerseits. In tiefer Verachtung“, so endet das zweite Schreiben.

Von nun an verschärft sich der Ton in Meisers Briefen ständig. Außer Verlegern schreibt er 1943 auch an die Reichsschrifttumskammer: „Schon 1928 habe ich in vielen Schreiben die volksfeindlichen und entarteten Veröffentlichungen des kommunistischen Malik-Verlages angegriffen. Um so überraschter mußte ich bemerken, daß mein großer Island-Roman ‚Volk ohne Baum‘ im Programm des eigentlich völkischen Suhrkamp-Verlages nicht berücksichtigt wurde. Ist denn da immer noch alles verjudet? Welche Unverschämtheit gegenüber dem Führer. Mit dem homosexuellen Goebbels-Freund Röhm scheinen noch lange nicht alle Feinde der Bewegung unschädlich gemacht worden zu sein. […] Heil Hitler!“ Eine Antwort auf diese Beschwerde ist nicht überliefert, auch die angestrebte Veröffentlichung von „Volk ohne Baum“ kam nicht zustande. Allerdings bereitete dieses Schreiben an die Reichsschrifttumskammer Meiser nach dem Ende des Dritten Reiches allerhand Probleme, weil es eigene Angaben über seine opferreiche Widerstandsarbeit relativierte.

Aber schon 1952 sehen wir Meiser in einem Brief an Kiepenheuer & Witsch zu gewohnter Form auflaufen: „Sie unverschämte Drecksau! Nicht genug, daß Sie ‚Windenwinde‘ nicht drucken wollen, das wundert mich bei Ihrem Drecksverlag überhaupt nicht. Aber daß Sie sich erfrechen, mir die Begründung mündlich zu geben, mich also nicht einmal eines Antwortschreibens für würdig befinden, das ergibt durchaus einen Sinn. Mit solch widerwärtigen schmutzigen Gedanken-Wahnkonstruktionen will wohl niemand ein jungfräuliches Blatt besudeln. Mit einer solchen Begründung, die mir noch im Ohr gellt wie der Schrei eines Wahnsinnigen. Aber wie ich weiß, werden die Leichname von Ihnen und den Kollegen von Kiepenheuer & Witsch bald Fraß der Maden, und das wünscht Ihnen von ganzen Herzen Stefan Meiser“.

In späteren Jahren wird die Wut Stefan Meisers nicht geringer, aber es gesellen sich eine gehörige Portion Altersstarrsinn dazu und eine gewisse Verbitterung. Ich zitiere aus seinem letzten Brief vom November 1992 an dtv, schon blind diktierte er seiner Frau: „Ich wollte, ich könnte Ihnen in Ihre picklige Fresse schlagen, Sie Arschloch, aber ich sterbe. Und Sie werden auch sterben. Ich wünsche Ihnen Darmkrebs mit vielen 1.000 Metastasen. Wir sehen uns in der Hölle, Stefan Meiser“.

Kurz darauf schloss Meiser für immer die Augen. Merkwürdigerweise fand die Witwe trotz intensiven Suchens keinen Verlag für die Briefe ihres Mannes, die deshalb im Selbstverlag erscheinen. FALKO HENNIG