Guerilla-Schutzzone weg, Kampfkraft vorhanden

Kolumbiens Revolutionäre Streitkräfte (FARC) zeigen sich mit zahlreichen Anschlägen als handlungsfähig. Auch Paramilitärs suchen die Offensive

LIMA taz ■ Die FARC-Guerilla in Kolumbien hat auf die anhaltenden Bombardierungen ihrer Stellungen in der ehemals neutralen Zone mit einer Welle von Anschlägen im ganzen Land geantwortet. Sie sprengte zahlreiche Brücken, verübte mehrere Attentate auf Personen und entführten mehrere Menschen bei Straßensperren. Nahe der Hauptstadt Bogotá lieferten sich die Guerilleros Kämpfe mit dem Militär. Dutzende von Ortschaften blieben in Folge der FARC-Attentate auf Infrastruktureinrichtungen auch am Dienstag ohne Strom, Wasser und Telefonverbindung. Auch die rechtsextremen Paramilitärs sind in die Offensive gegangen und ermordeten mehrere Kämpfer der ELN, der zweitgrößten Guerilla des Landes.

Pablo Catatumbo, Regionalchef der FARC im Süden des Landes, machte den Druck der USA auf Kolumbiens Präsidenten Andrés Pastrana für das Scheitern des Friedensprozesses verantwortlich. „Es wird sicherlich sehr viele Tote geben. Immer wenn wir vom Verhandlungstisch aufgestanden sind, haben wir gesagt: Wir sehen uns nach 5.000 Toten wieder“, sagte Catatumbo der Nachrichtenagentur Reuters.

Das Militär hat damit begonnen, die urbanen Zentren der ehemaligen FARC-Zone in El Caguán zu besetzen. Armeechef General Fernando Tapias sagte, dass es sechs Monate dauern kann, bis die Streitkräfte die Zone komplett unter ihrer Kontrolle haben werden. Die Bewohner von El Caguán fürchten, dass die paramilitärischen Gruppen in die Zone einfallen könnten und Massaker an der Zivilbevölkerung verüben. Jeder, der auch nur einen Sack Reis an die FARC verkauft hat, könnte von ihnen abgestraft werden.

Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) bereitet sich darauf vor, dass aus den Konfliktzonen in Kolumbien zahlreiche Menschen in die umliegenden Nachbarländer fliehen werden. In Ecuador, Panama und Venezuela haben bereits zahlreiche Bürgerkriegsflüchtlinge Zuflucht gefunden. Bislang gibt es aber nach Angaben eines UNHCR-Sprechers keine Anzeichen für eine massenhafte Flucht aus Kolumbien.

Die kolumbianische Regierung befürchtet, dass die FARC den Krieg in die Städte tragen könnte. In vielen Städten des Landes, darunter in Bogotá und Medellín, verfügt die Guerilla über urbane Milizen, die schon mehrmals gezeigt haben, dass sie dazu in der Lage sind, Entführungen zu organisieren oder Attentate zu verüben. „Die Guerilla wird sich in kleine Gruppen aufteilen und Attentate auf Strommasten und Straßen verüben. Möglicherweise ist auch mit Bomben in den Städten zu rechnen“, sagt Antonio Navarro, Senator und ehemaliger Guerillero der M 19.

Die FARC versucht sich derweil eine Rückkehr an den Verhandlungstisch offenzuhalten. Man sei bereit, mit einer „künftigen Regierung zu sprechen, die ein Interesse zeigt, den sozialen und politischen Konflikt politisch zu lösen“. Bislang konnten sich aber im Wahlkampf um das Amt des Präsidenten, der Ende Mai zu wählen ist, vor allem Hardliner-Kandidaten behaupten. INGO MALCHER