Gefrickel mit Berechnung

Musik wird schon lange nicht mehr nur mit Instrumenten gemacht, sondern oft mit technischer Unterstützung. Eine Berliner Softwarefirma weckt mit ihrem Programm „Reaktor“ auch das Interesse von erfolgreichen Soundbastlern wie „The Notwist“

von VERENA DAUERER

Hits aus dem Laptop stehen heutzutage auf der Tagesordnung im Musikgeschäft. Kein Wunder, dass zwei Mitarbeiter der Berliner Softwareschmiede Native Instruments (www.native-instruments.de) im Rahmen der SoundXchange, eines Studienprojekts an der Universität der Künste Berlin, referieren durften. Sie zeigten, wie weit die Möglichkeiten der Musikproduktion durch abstrakte Frickelei am Laptop gehen kann.

Theoretisch wie praktisch versucht die SoundXchange (www.udk-berlin.de/soundXchange) in Veranstaltungen, dem Bedürfnis nach Institutionalisierung von angewandten Formen der Musik, Sound- und Klangdesign aus kulturwissenschaftlicher Perspektive nachzukommen. Stephan Schmitt, technischer Direktor von Native Instruments, breitete in seinem Vortrag das Konzept seiner Flaggschiffsoftware „Reaktor“ aus. „Reaktor“ ist eine Produktionsmaschine von Instrumenten, Effekten und Samples, die in weiterführender Software bearbeitet werden können. Klingt simpel, macht es aber zu einem Übertool für Sounddesigner. So hat sich zum Beispiel Console, der Elektroniker der Weilheimer Band „The Notwist“, gerade die „Reaktor“-Software zugelegt.

Früher musste das noch ohne gehen: Im Musikstudio wurde eine komplette Band mit nur einem Mikro aufgenommen und direkt auf Vinyl gepresst. Später nahm man die Instrumente einzeln mit einer Mehrspurbandmaschine oder dem Computer auf, um sie zu modifizieren und zu arrangieren. Im virtuellen PC-Studio hingegen werden die Instrumente, die Effekte und die Techniken zum Arrangieren jeweils durch Programme ersetzt. Klänge erzeugt man mit Synthies und Samples. Die Synthies generieren Sound durch mathematische Berechnung, Samples sind bereits aufgenommene Sounds, die man wie ein Instrument behandelt.

„Durch die Synthese von MIDI und Audioschnittstelle generiert „Reaktor“ Musik durch Software, die nur mit den Ressourcen des PCs oder Macs arbeitet“, erklärt Schmitt. Wichtiges Merkmal ist, dass nichts mehr von außen an den PC gehängt werden muss, denn die Software wurstelt völlig autark und arbeitet mit „nativer Signalverarbeitung“ ohne externen Klangerzeuger. Orientiert an der klassischen elektroakustischen Musik können auf dem Interface die Komponenten, Filter und Oszillatoren immer neu als Bäumchen-wechsel-dich zusammengebaut werden – ultimatives Basteln ist angesagt. Das Programm wird zur Entwicklungsplattform, die ergraute oder totgeglaubte Synthies emuliert oder an bestehenden Instrumenten herumbaut. Weil die Gerätschaften somit alle virtuell generiert und zusammengestöpselt werden, ist das PC-Studio auch noch billig.

Hat man schließlich die Oberfläche der Software vor sich, muss man sich allerdings mit dem Musikmachen anfreunden, das ohne Instrumente und auf rein visueller Ebene – nämlich in der Verschachtelung grauer Kästchen – stattfindet. Die Tools werden mit Polygonen aufgebaut: Man packt Synthies, dargestellt von grauen Legoklötzchen, zusammen. Alle Kästchen werden mit grauen Fäden versponnen, die die Anschlüsse symbolisieren. Den resultierenden Kabelsalat stört die Software nicht. Der Aufbau sieht chaotisch aus, ist aber ordentlich als Soundkette aus Modulen aneinander geschaltet. Speichert man den Sound ab, wird er zum Datenfile, das problemlos gemailt werden kann. Und dem eigenen Hit per E-Mail steht nichts mehr im Weg.

vdauerer@t-online.de