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: Neben den Müllhalden blühen die Rosen: Taschenbücher über Gärten

Kriminelle Idyllen

Bücher, sagt ein afrikanisches Sprichwort, sind Gärten, die man in der Tasche tragen kann – wobei es sich nicht unbedingt um Taschenbücher handeln muss, in denen es um Gärten und Parks geht; doch ein paar solcher Bücher sollen an dieser Stelle kurz umgegraben werden.

Passionierte Gärtner leben stets intensiv in der Gegenwart der Jahreszeiten, weil Gärten im März andere Zuwendung benötigen als etwa im Oktober. Karel Capeks anekdotenreiches, feuilletonistisches Buch „Das Jahr des Gärtners“ gliedert sich entsprechend in den Zwölf-Monats-Rhythmus. Aber der Gärtner ist laut Capek nicht nur der Gegenwartsfex auf seiner Scholle, sondern auch der notorische Utopist: „Wir Gärtner leben irgendwie in der Zukunft; wenn unsere Rosen blühen, denken wir schon daran, dass sie im nächsten Jahr noch schöner blühen werden.“

Eine aufschlussreiche „Geschichte der Gärten und Parks“, herausgegeben von Hans Sarkowicz, interessiert sich weder für den korrekten Rasenschnitt noch für die Ordnung im Gemüsebeet. Sie beginnt vielmehr mit Bibel und Paradies, mit dem Garten „als Verheißung der Glückseligkeit, als Ort religiöser Inbrunst und philosophischer Einkehr“ und beschreibt Gärten und Parks in 20 essayistischen Beiträgen „als Zeichen für finanzielle, gesellschaftliche und politische Macht, als Ernährungsgrundlage für vielköpfige Familien oder als schnell erreichbares Ziel für gestresste Metropolenbewohner“.

Trotz unleugbarer Einschläge von religiösem Kitsch ist Oscar Wildes „Der selbstsüchtige Riese“ eine der rührendsten Geschichten um Gärten und Parks. Sie ist erschienen in „Der glückliche Prinz“, den neu übersetzten Märchen Wildes. „Mein eigener Garten ist mein eigener Garten“, sagte der Riese, „das kann jeder einsehen, und ich werde niemandem erlauben, darin zu spielen, außer mir selbst“, weshalb er eine Mauer inklusive Warnschild baut und die spielenden Kinder aus seinem Park vertreibt. Aber damit vertreibt er auch die Jahreszeiten – außer dem Winter. Erst als er die Kinder wieder hereinlässt, löst sich die Erstarrung zum Utopieversprechen des Frühlings, und eines Tages … nun ja, am Ende wird’s doch reichlich rührselig.

Alles andere als rührselig ist John Steinbeck, der mit seinen Romanen eine gewaltige Chronik Kaliforniens geliefert hat. Woody Guthrie besang Kalifornien als irdischen „Garten Eden“, und Steinbecks kurzer Roman „Das Tal des Himmels“ spielt schon im Titel auf den Paradiesmythos an. Aber gut und schön geht’s bei Steinbeck auf Dauer nie zu, auch nicht im abseits gelegenen Tal des Himmels, wo unter der Idylle allerhand schräge bis kriminelle Existenzen wachsen.

Noch drastischer geht’s im New Jersey der Gegenwart zu, jenem urbanen Großraum bei New York City, der sich selbst reichlich euphemistisch „Garden State“ nennt, was auch den Titel von Rick Moodys Roman abgibt. Zwar gibt es dort noch die luxuriösen Anwesen auf Hügeln in Parklandschaften, aber der Staat besteht zum größeren Teil aus Industriegebieten, Müllhalden, heruntergekommenen Einkaufszentren und Autobahnen. In diesem von Bruce Springsteen musikalisch immer wieder beschworenem Ambiente träumen bekiffte Arbeitslose von Musikerkarrieren. Aus dem großen Garten, der diese Staat einmal war, ist ein postindustrieller Alptraum geworden.

KLAUS MODICK

Hans Sarkowicz (Hg.): „Die Geschichte der Gärten und Parks“. insel tb, 322 Seiten, 11 €ĽKarel Capek: „Das Jahr des Gärtners“. AtV, 133 Seiten, 7,50 €ĽJohn Steinbeck: „Das Tal des Himmels“. dtv, 222 Seiten, 9 €ĽRick Moody: „Garden State“. Serie Piper, 223 Seiten, 8,90 €