Schlachtruf Romantik

■ Niveauvolles Suhlen im Herzeleid, ein lockeres Heimspiel für „Element of Crime“

Es ist schon merkwürdig, wenn da einer auf der Bühne triumphal die Arme hochreißt und „Romantik“ ruft. Oder wenn die Fans einerseits verträumt und leise alle Lieder mitsingen, dann beim Applaus aber laut solche Wunschtitel wie „Die schönen Rosen“ zur Bühne hin gröhlen. Oder wenn Seven Regener eigentlich in jedem Lied von „beautiful losers“ singt, dabei aber wie ein Sieger (mit allerdungs) extrem schlechter Körperhaltung am Mikro steht.

Aber dies sind gerade die Brüche, die die Musik von „Element of Crime“ so interessant machen. Sie segeln immer nah an den Untiefen des Schlagers mit solchen Textstellen wie „Ich hab auf dich gewartet, doch gelohnt hat es sich nicht“, „Alles ist besser ohne Dich“ oder „Liebling, sag mir morgen früh noch mal, dass wir glücklich sind“.

Aber Regener ist ein geschickter Texter (das hat er gerade auch mit seinem Romanerstling „Herr Lehmann“ bewiesen), der poetische Widerhaken in seine Lieder einbaut, so dass er smarten Schmalz macht, der die Kitschbacke in uns weckt. Und dabei besteht nicht etwa die Gefahr, dass mann (es waren eindeutig mehr Männer als Frauen im Konzert) sich etwa unter dem eigenen Niveau im Herzeleid suhlt.

Seit 16 Jahren gibt es die Band nun, und dass sie sich einst nach dem ersten Film von Lars von Trier (der ihre Musik übrigens nicht mag) benannte, weiß kaum noch jemand. Es brauchte ein paar Alben, von denen eines immerhin von John Cale produziert wurde, bis Sven Regener, Gitarrist Jakob Ilya, Bassist Christian Harje und Schlagzeuger Richard Pappik ihren eigenen Ton fanden: deutsche Texte, viele traurige Liebesgeschichten und dazu eine schwermütige Grundstimmung.

Bei all dem verstanden sie sich aber immer als eine Rockband. Beim Auftritt in der Halle 4.1. neben der Stadthalle (mit schrecklichem Ambiente und Lagerhallen-Akustik) holten sie sich zur Verstärkung also nicht etwa einen Keyboarder oder Streicher (auf der CD „Romantik“ sorgt das große Babelsberger Filmorchester für hochromantische Untermalung), sondern mit David Young noch einen Gitarristen auf die Bühne.

Wenn es richtig ans Eingemachte ging, dann holte Regener noch seine Trompete heraus und bließ so schön schmalzig wie einst Nino Rossi sein „Il Silenzio“. Heute heißt das weltläufig-worldmusicmäßig „Mariachi“ (der derzeit angesagte mexikanische Barmusiksound), aber der Effekt ist der Gleiche.

Bei all dem strotzte die Band vor Selbstbewusstsein, Sven Regener hat mit Buch und Band eh gerade einen tollen Lauf – und den gönnt man dem schmächtigen 40-Jährigen auch. Zumal er noch seinen unverkennbar bremischen Tonfall hat, bei den Ansagen erinnerte er selbstironisch an glorreiche Zeiten im „Römer“, als noch niemand was von „Element of Crime“ hören wollte.

Ein locker gewonnenes Heimspiel also, obwohl mir persönlich der trockene Weltschmerz nach gut einer Stunde etwas zuviel wurde. Das Programm war zwar geschickt durchmischt, und es gab auch rockigere Stücke, bei denen es lauter und schneller wurde (und prompt der Boden unter den Füssen des Publikums zu schwingen begann – erlaubt die Statik von Halle 4.1. überhaupt solche Konzerte?).

Aber ein wenig war es doch so wie bei den Filmmusiken von Martin Böttcher, die zum Einweichen vor dem Auftritt die Halle beschallten. Bei „Winnetou I“ war man noch hell begeistert, dass „Winnetou II“ fast genauso klang, fand man noch ganz witzig, aber bei „Winnetou III“ begannen die süßlichen Streichersätze schon arg an den Nerven zu kratzen.

Auch „Romantik“ ist eine Droge, von der allzuviel nicht gut bekommt. Wilfried Hippen