Antirassistisches Schulprojekt geht nach Osten

Das Bündnis „Aktion Courage“ will mehr ostdeutsche Schulen für ihr Projekt „Schule ohne Rassismus“ mobilisieren. Denn Jugendliche bekennen sich im Osten häufiger zu rechtsradikalen Einstellungen. Und es gibt noch einen Grund: Förderung der Bundesregierung ist für Projekte im Osten lukrativer

BERLIN taz ■ Wer über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland spricht, denkt meist an die fünf neuen Länder. Die Vorurteile sind pauschal – und treffend: In vorwiegend ländlichen Gebieten gibt es häufiger als im Westen „national befreite Zonen“. Rechts zu sein ist vielerorts Kult. Nach neuesten Studien bekennen sich rund neun Prozent der Jugendlichen im Osten Deutschlands offen zu rechtsextremem Gedankengut. In den westlichen Bundesländern sind es fünf Prozent.

Die stärkere Neigung von ostdeutschen Jugendlichen zu fremdenfeindlichen oder antisemitischen Einstellungen ist für das Bündnis „Aktion Courage“ allerdings nur ein Grund, den Schwerpunkt seines Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ in den Osten zu verlagern. „Die Aktionen in den neuen Bundesländern werden besonders gefördert“, erklärt Sanem Kleff, Projektleiterin bei Aktion Courage. Mit 45,5 Millionen Euro will die Bundesregierung im Jahr 2002 Fremdenfeindlichkeit bekämpfen. Der Großteil der Mittel wird in ostdeutsche Projekte fließen.

Die Aktion Courage wurde in Nordrhein-Westfalen 1992 nach den Brandanschlägen in Rostock und Solingen gegründet, drei Jahre später startete das Projekt „Schule ohne Rassismus“. Bundesweit tragen heute 92 Schulen den Titel, rund 50 weitere haben sich nach Angaben von Aktion Courage um die Auszeichnung beworben. Um diese zu bekommen, müssen zwei Drittel aller Schüler und Lehrer mit ihrer Unterschrift für die Bewerbung als Schule ohne Rassismus votieren und sich verpflichten, pro Jahr mindestens eine Aktion durchzuführen. Gerade mal 14 der ausgezeichneten Schulen kommen aus dem Ostteil der Republik.

Eine der 14 ostdeutschen Schulen ist das Gymnasium in Treuenbrietzen, einem 6.000-Seelen-Ort nahe Potsdam. Noch vor fünf Jahren gab es in Treuenbrietzen Überfälle durch gewalttätige Neonazis, erzählt Katrin Krüger, die die Bewerbung ihres Gymnasiums vor knapp zwei Monaten durchgesetzt hat. Heute gebe es keine rechtsradikale Szene mehr in Treuenbrietzen, meint die 18-jährige Schülerin. Der „Umschwung“ habe stattgefunden, „weil eine Generation kam, die anders war“: Eine kleine Gruppe, die Punk-Musik hörte, die sich an den Großstädten Berlin und Potsdam orientierte, die „intelligent war und die anderen mitgerissen hat“, meint Katrin.

Daher war viel Überzeugungsarbeit bei ihren Mitschülern nötig, die ihre Initiative mit dem Argument „Bei uns gibt’s doch keinen Rassismus“ abgewehrt hätten. Katrin überzeugte die Zweifler: „Die Auszeichnung hat doch prophylaktische Wirkung für die nachfolgenden Schüler-Generationen.“ Treuenbrietzen sei zwar „nicht typisch für Ostdeutschland“, doch schon im nächstgelegenen Ort gebe es regelmäßige Übergriffe von Rechtsradikalen, erzählt Katrins Mitschülerin Janine Bogert. Erst vor kurzem sei ein Café überfallen worden, das Treffpunkt für Ausländer und linksgerichtete Jugendliche war.

Katrin Krüger und ihre MitstreiterInnen wollen aber nicht nur einmal im Jahr gegen Rechtsextremismus auftreten: Die Schüler wollen das Schicksal der Jüdischen Gemeinde von Treuenbrietzen aufarbeiten. „Der jüdische Friedhof soll wieder sichtbar werden“, sagt Katrin. Außerdem will sie Trommelkurse mit einem Afrikaner organisieren, damit Toleranz nicht blanke Theorie bleibt. Und sie will ehemalige Zwangsarbeiter einladen.

So aktiv sind nicht alle „Schulen ohne Rassismus“. In manchen ausgezeichneten Schulen sei nur eine „kleine Gruppe von Schülern aktiv“, sagt Sanem Kleff. An anderen Schulen beschränkt sich das Engagement auf einen Aktionstag pro Jahr. Bisher wurde noch keiner Schule die Auszeichnung wieder abgesprochen. Aktion Courage beschränke sich auf die Vergabe des Titels, gibt Kleff zu. Dass die Schulen sich nachhaltig gegen rechts engagieren, wie in den Grundsätzen des Projekts festgeschrieben, prüft Aktion Courage nicht. NADIA LEIHS