Der weiße Oscar

In den 74 Jahren seit der ersten Oscar-Verleihung wurden insgesamt rund 370 Männer und Frauen für die Kategorie des besten Schauspielers und der besten Schauspielerin nominiert – darunter nur fünfzehn Afroamerikaner. Nur einer hat den Oscar für eine Hauptrolle tatsächlich gewonnen: Sidney Poitier im Jahr 1964 für den Film „Lilien auf dem Felde“.

Der Oscar für den besten Nebendarsteller und die beste Nebendarstellerin ging nur zweimal an schwarze Schauspielerinnen: 1940 an Hattie McDaniel („Vom Winde verweht“) und 1990 an Whoopi Goldberg („Ghost“). Genau dreimal ging er an schwarze Schauspieler: 1982 an Louis Gossett jr. („Ein Offizier und Gentleman“), 1989 an Denzel Washington („Glory“) und 1996 an Cuba Gooding jr. („Jerry McGuire“).

Schon einmal, und zwar im Jahr 1972, wurden drei Afroamerikaner in der Kategorie „beste Schauspieler“ nominiert: Paul Winfield und Cicely Tyson für „Sounder“ sowie Diana Ross für „Lady Sings the Blues“. Alle drei gingen jedoch leer aus.

Als eine der größten Enttäuschungen in der Geschichte der Oscar-Verleihung entpuppte sich die elffache Nominierung des Favoriten „Die Farbe Lila“ im Jahr 1985. Nominierungen gab es unter anderem als „bester Film“, für die „beste Hauptdarstellerin“ Whoopi Goldberg, für die Nebendarstellerinnen Margaret Avery und Oprah Winfrey sowie für das Drehbuch. Umso deprimierender, dass alle Oscars zugunsten von „Jenseits von Afrika“ verloren wurden.

Bislang wurde noch kein Film, der sich der afroamerikanischen Identität widmet, in der Kategorie „bester Film“ ausgezeichnet. Zwei prämierte Filme, die sich am Rande mit dem Thema auseinander setzen, erhielten Oscars für ihre weißen Darsteller: Rod Steiger für seine Rolle in dem Film „In der Hitze der Nacht“ im Jahre 1967 und Jessica Tandy in „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ 1989. Sidney Poitier und Morgan Freeman, die schwarzen Darsteller der beiden Filme, gingen dagegen leer aus.

In der Geschichte der Academy Awards wurde nur einmal ein Afroamerikaner in der Kategorie „beste Regie“ nominiert: John Singleton im Jahr 1991 für „Boyz N the Hood“ – gewonnen hat auch er nichts.

In der Liste der in den meisten Hollywoodfilmen vertretenen Schauspieler, unabhängig von deren Hautfarbe, führte im vergangenen Jahrzehnt der Afroamerikaner Samuel L. Jackson. Neben „Pulp Fiction“ war er außerdem noch in 35 weiteren Filmen der Neunzigerjahre zu sehen. An dritter Stelle folgte Whoopi Goldberg. Die Leinwandpräsenz schwarzer Darsteller steht also in keinem Verhältnis zu der geringen Zahl von Preisehrungen für sie.

Whoopi Goldberg durfte 1994 als erste Frau in der Geschichte Hollywoods die Oscar-Verleihung moderieren. Auch in diesem Jahr wird sie durch die Show (am 24. März) führen – inzwischen schon zum vierten Mal.

Der Bevölkerungsanteil von Afroamerikanern in den USA beträgt ungefähr dreizehn Prozent, ihr Anteil am US-amerikanischen Kinopublikum hingegen nahezu dreißig Prozent.

Im Auswahlgremium für die Oscar-Verleihung sind zurzeit etwa fünf Prozent Afroamerikaner.

AXEL KRÄMER