Ein zweischneidiges Krummschwert

■ John Fords letzter Spielfilm: In „Sieben Frauen“ ist mehr zu entdecken als ein Western im Osten

Mit den Spätwerken Der Mann, der Liberty Valance erschoss (1962) und Cheyenne (1964) nahm John Ford wehmütig Abschied vom Wilden Westen, dessen mythische Landschaften seine Karriere als Regisseur bestimmt hatten. Umso erstaunlicher, dass Ford ausgerechnet für seinen letzten Spielfilm 1965 diese vertrauten Jagdgründe verließ, um mit weiblicher Starbesetzung ein koloniales Abenteuer zu inszenieren. Doch schon wenn die ersten Takte von Elmer Bernsteins Musik über den Soundtrack galoppieren und eine Texteinblendung den Schauplatz Nordchina als „ein Land der Gewalt und Gesetzlosigkeit“ vorstellt, scheinen die Sieben Frauen bereits wieder im Western angekommen zu sein.

So gleicht die christliche Mission, in der Agatha Andrews (Margaret Leighton) im Jahr 1935 ein strenges Regiment über gottesfürchtige Abendländler und willfährige Einheimische führt, auch prompt einem Fort im Frontierland, nur dass jetzt mongolische Reiterhorden den undankbaren Indianer-Part übernehmen. Was John Ford in den elegischen Pferdeopern seiner letzten Schaffensphase an zögerlicher Wiedergutmachung gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern leistete, holt er sich hier doppelt und dreifach zurück: Ein ungebrochenes Feindbild in Gestalt der „gelben Gefahr“, die ebenso exotisch wie entmenschlicht über westliche Wertegemeinschaften hereinbricht. So weit, so schlimm.

Doch neben erzreaktionärer Ethnographie leistet sich Sieben Frauen mit der Medizinerin Dr. D.R. Cartwright eine spröde Heldin, die in ihren besten Momenten sogar die rassistischen Rahmenbedingungen sprengt. Die großartige Anne Bancroft spielt diese Rolle als lebensbejahenden Gegenentwurf zur frömmelnden Missionsleiterin, die wiederum in der neu eingetroffenen Ärztin die „Hure Babylon“ zu erkennen glaubt. Schließlich raucht und flucht Dr. Cartwright ohne Unterlass, und wiegt des Abends statt eines Babys ihre Flasche Scotch im Arm.

Aber der eigentliche Grund für die moralische Entrüstung der Mrs. Andrews ist platinblond und heißt Emma Clark (Sue Lyon). Nach der verzehrt sich die eifernde Gottesdienerin heimlich, weshalb sie in der sinnesfrohen Dr. Cartwright vor allem eine Konkurrentin um die Gunst der naiven Schönheit sieht. Zu beobachten, wie sich der verbriefte Macho John Ford diese schwüle Kolportage Marke „Verbotene Liebe in der Klosterschule“ zurechtschustert, ist eine gleichermaßen kuriose wie spannende Sache.

Über jeden Zweifel erhaben ist das weibliche Ensemble, welches selbst in den Seifenoper-Sequenzen noch den richtigen Ton trifft. Und genau darum bleibt Sieben Frauen ein zweischneidiges Krummschwert: Wenn der böse Mongolenfürst Tunga Khan an die Tore klopft, dann ist das lediglich Western von Gestern. Aber wenn Anne Bancroft mit Zigarette im Mundwinkel gegen Cholera und Bigotterie kämpft, dann verspricht das ein wirklich neues und aufregendes Abenteuer.

David Kleingers

heute + 29.3., 17 Uhr, morgen, 21.15 Uhr, 30.3., 19.30 Uhr + 31.3., 21.30 Uhr, Metropolis