Nach dem Terror

Zynismus der Straße: An alle Sprachverwirrten wendet sich die neue Zeitschrift „babeL“

Sie gehören zur U-Bahn wie die Kontrolleure oder die Security mit ihren vierbeinigen Partnern – nur begegnen sie uns viel häufiger. Oft kommen sie etwas abgerissen daher, manchmal mit sehr heiserer Stimme. Die Rede ist von den Verkäufern der Motz, der Stütze und wie die Obdachlosenmagazine alle heißen.

Jetzt haben sie ein neues Magazin im Angebot: babeL. Der Schriftzug auf der Titelseite sieht allerdings mehr wie eine arabische Kalligrafie aus. „Orte des Schreckens (die wir niemals vergessen dürfen)“ ist das Thema der ersten Ausgabe, mit dem Zusatz „Eine Fotosafari“. Überhaupt sagt der Umschlag des Heftes deutlich mehr über den Inhalt aus, als es bei anderen Magazinen üblich ist: Ein in Grünstichen gehaltenes Foto mit Heizkörper und Zigarettenautomat im „New York Skyline bei Nacht“-Look (Version vor dem 11. September) zeigt in Verbindung mit dem Titel, dass es irgendwie um die Terrorproblematik des 21. Jahrhunderts geht. Aber nur mit viel Ironie und noch mehr Zynismus.

Die „weltweite Allianz gegen Psychoterror, Telefonterror, Staats- und Medienterror“ - das sind die Macher und die Leser von babeL. Das Heft ist für alle gemacht, die sich terrorisiert fühlen – so steht es im Vorwort. Neben dem Preis von 2 Euro oder 3 US-Dollar (ein begrüßenswerter Wechselkurs!) wird noch der Beitrag „Bombardiert Mekka!“ angekündigt – Zynismus bis an die Schmerzgrenze, aber genau richtig, um schlechte Laune im Ansatz zu vertreiben. Der zweite Textbeitrag ist von Thomas Kapielski, der sich offenbar auch terrorisiert fühlt. Strotzend vor Kulturpessimismus entwickelt er seine Vision einer Lebensform der Zukunft, die sich aus einer Mischung von Klischees und Elementen aus futuristischen Rollenspielen zusammensetzt. „Trend: Alles Kacke!“, schließt Kapielski. Babel gilt als Wiege der Zivilisation, als Ursprung der Kultur, zugleich aber auch als Ort von Sprachverwirrung und Sprachlosigkeit. Letzters hat babeL vielleicht bei der Namenswahl inspiriert, denn der Schwerpunkt des Heftes liegt auf der Fotografie. Bilder von Stadtlandschaften in staubsommergrün und spätherbstgrau, urbane Oasen, ihrer Schönheit beraubt. Graue Hausfassaden, Sattelitenschüsseln und sterile Hinterhöfe wechseln sich mit dem deutschlandweit identischen Postfilialeninterieur und einer einsamen Bushaltestelle am Stadtrand ab.

Eine Bestandsaufnahme des zivilisatorischen Status quo, laut Ankündigung des minus-Verlags. Vielleicht. Zumindest ist babeL eine Abwechslungs fürs Auge in den endlosen U-Bahn-Schächten. SILKE LODE

babeL gibt’s nur im Straßenverkauf für 2 Euro. Der Erlös geht an die Verkäufer