Wegelagerer für Tier- und Umweltschutz

Immer öfter werben Agenturen auf der Straße um Spender. Doch zumeist landen 80 bis 100 Prozent des ersten Jahresbeitrags bei den Drückern

BERLIN taz ■ „Mögen Sie Tiere?“ „Sind sie nicht auch für Umweltschutz?“ Fundraiser nennen sich die Wegelagerer für die gute Sache. Dabei sind sie eigentlich Spendenfänger – also das, was der Volksmund Drücker nennt.

In Berliner Stadtmagazinen und vor den Hauptstadt-Unis hat die Agentur „Dialog Direkt“ um Mitarbeiter geworben. Thomas* meldete sich. Jetzt steht er mit seinem Team für die „Aktion Fischotterschutz“ vor dem U-Bahnhof Warschauer Straße. Ein lausiger Platz, den das neue Berlin noch nicht erobert hat. Aber strategisch ist der Ort günstig: Wer hier umsteigt, muss an den Leuten in der Otterkluft vorbei. Und hier steigen viele um.

Immer wieder setzt Thomas zu einer heiteren Anrede an. „Hast du fünf Minuten Zeit?“ Ein hagerer Student mustert ihn. „Fünf Sekunden“, legt Thomas nach, was dem Studenten ein Lächeln entlockt. Fürs Erste hat der Fundraiser gewonnen. „Wir sind hier von der Aktion Otterschutz. Also früher, da ham ’se Flüsse gebaut“, beginnt er und spult dann seinen Text herunter: innovativer Naturschutz, Renaturierung und Natur zum Anfassen. Blöderweise hat er einen Studenten der Limnologie erwischt. Limnologie ist Süßwassergewässerkunde, das Fachgebiet der Aktion Otterschutz. Anders als der Student hat Thomas noch nie einen Otter gesehen. Er arbeitet auch nicht für den Verein aus der Lüneburger Heide, sondern für die Rosenheimer Firma Dialog Direkt.

Zur neuen Bewerbungsrunde sind elf Interessenten gekommen. Die Dialog-Direkt-Mitarbeiterin Steffi* erklärt ihnen, was zu tun ist. Es geht darum, Förderer zu werben, sagt sie. Dazu müsse man auf Leute zugehen, teamfähig sein und dürfe sich nicht abschrecken lassen. Die Leute müssen ja nicht gleich Mitglied werden, wendet ein Bewerber ein. „Doch, genau das ist unsere Absicht“, entgegnet die große Frau, die eine ausgezeichnete Hostess abgäbe.

In der Regel arbeiten die Dialoger nicht nur in einem festen Team, sie wohnen auch zusammen. Von Montag bis Samstag stehen sie zehn Stunden vor dem Infostand. Am Sonntag zieht der Tross in die nächste Stadt. Die Bewerber sind skeptisch. Natürlich habe man eine Menge Spaß, erklärt Steffi und verbreitet Ferienlagerstimmung. Sie kenne Kollegen, die auf ihren Einsätzen die große Liebe gefunden haben. Dann kommt es zur Bezahlung. Der Tagessatz beträgt 50 Euro, von dem jedoch die Unterkunft abgezogen wird. Den eigentlichen Verdienst bringt die Provision: im Schnitt pro Unterschrift 15 Euro. Manche schaffen über 200 Euro am Tag. „Ich kenne Dialoger, die ihr ganzes Studium nur mit Einsätzen von einigen Wochen finanzieren“, behauptet sie.

Dialog Direkt arbeitet neben dem Otterverein auch für den Tierschutzverein „Vier Pfoten“. Andere Umweltorganisationen schicken Spendenwerber auf die Straße. Für den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und den Naturschutzbund Deutschland (NABU) geht die Stuttgarter Agentur Wesser auf Spenderfang und macht auch vor Wohnungstüren nicht Halt. Greenpeace Deutschland hat eine eigene Agentur.

Ein einträgliches Geschäft. Binnen eines halben Jahres hat die Aktion Otterschutz 2.000 neue Förderer gewonnen, die jährlich mindestens 47 Euro zahlen. Allerdings kommt das zunächst nicht der Umweltarbeit zugute. „Oft müssen 80 bis 100 Prozent des ersten und 50 Prozent des zweiten Jahresbeitrags an die Agenturen abgeführt werden“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Berliner Zentralinstitus für Soziale Fragen.

Wilke rät Menschen, die Umweltvereine unterstützen wollen, zur Eigeninitiative. Direktspenden vermeiden lästigen und teuren Werbeaufwand. Einige Verbände, wie der deutsche Tierschutzbund oder Robin Wood, lehnen Spenderwerbung auf der Straße auch aus moralischen Gründen ab. Jürgen Sattari, Robin-Wood-Vorstand, findet es „schlicht unanständig, wenn Leute dafür Geld bekommen, dass sie Menschen auf der Straße zu einer Mitgliedschaft überreden“.

Solche Überlegungen beschäftigen Thomas nicht. Sein Student auf der Warschauer Brücke droht ihm zu entgleiten. „Ich spende übrigens selber auch“, ruft ihm ein Kollege von Thomas wütend hinterher. Ein paar Augenblicke später steht Thomas wieder im Menschenstrom. „Hast du einmal fünf Minuten Zeit?“ PHILIPP HORSTMANN

* Namen von der Redaktion geändert