Bulgarien will neues AKW bauen

Unweit der rumänischen Grenze solle eine Nuklearbaustelle aus sowjetischer Zeit revitalisiert werden, erklärt der Ministerpräsident. Initiative sammelt eine Million Pro-Atom-Unterschriften. Die Europäische Union ist skeptisch

BERLIN taz ■ Ein neues Atomkraftwerk soll in Bulgarien entstehen. An einem Seitenarm der Donau, unweit der rumänischen Grenze, werde der Bau des AKWs Belene wieder aufgenommen, erklärte der Ministerpräsident Sakskoburggotski und Ex-Zar Simeon II. am Wochenende überraschend in Sofia. Mit dieser Entscheidung setzt die Regierung die Verhandlungen über einen schnellen EU-Beitritt aufs Spiel.

Bereits 1987 begannen russische Ingenieure mit dem Bau eines Atomkraftwerks bei Belene, doch wurde dessen Errichtung auf Druck internationaler und heimischer Umweltorganisationen nach der politischen Wende vor zwölf Jahren auf Eis gelegt. Nun soll der Neubau durch eine internationale Ausschreibung erfolgen und jener internationale Konzern den Zugriff bekommen, der die europäischen Sicherheitsbestimmungen am besten erfülle. „Das wird die Unabhängigkeit Bulgariens im Energiebereich in den nächsten Jahrzehnten gewährleisten“, sagt Ministerpräsident Sakskoburggotski, „und wir werden so eine der Hauptenergiequellen auf dem Balkan bleiben.“ Ob sich die EU auf dieses Spiel einlassen wird, scheint mehr als fraglich. Bei einem Beitritt Bulgariens zur Union, so hieß es bislang aus Brüssel, dürfe der Balkanstaat nicht länger von Atomenergie abhängig sein.

Bulgariens einziges Atomkraftwerk Kosloduj gilt mit seinen Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart, deren älteste Blöcke aus dem Jahr 1969 stammen, als äußerst gefährlich. Erst nach zähen Verhandlungen mit der EU willigte die Regierung in Sofia ein, die ersten beiden Blöcke der sechsblöckigen Anlage im kommenden Jahr endgültig vom Netz zu nehmen. Die Abschaltung lässt sich Brüssel etwa 200 Millionen Euro kosten, für die vorzeitige Stillegung der anderen Blöcke bis spätestens 2006 wurden weitere Finanzhilfen in Aussicht gestellt.

Doch in Bulgarien stößt die Abkehr von der Atomenergie seit langem auf heftige Kritik. Einige Oppositionspolitiker sprechen von einem „Diktat der EU“, dem man sich nicht beugen dürfe, und bezweifeln das Recht der Regierung, ohne Zweidrittelmehrheit im Parlament in dieser „für die Nation so wichtigen Frage“ allein zu entscheiden.

Eine Bürgerinitiative hat in den vergangenen Wochen über 1 Million Unterschriften für den Ausbau der Atomenergie gesammelt – in einem Land mit gerade 8 Millionen Einwohnern ein beachtlicher Erfolg. Die Bulgaren sind stolz auf ihren Atommeiler und wollen Kritik nicht verstehen.

ROLAND HOFWILER