Schwierige Solidarität

Am kommenden Samstag findet in Berlin eine bundesweite Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit Palästina“ statt. Doch die Solidarität spaltet wieder einmal die linken Gruppen

von B. DIERKS, M.POHL
und U. RADA

„Solidarität mit Palästina“ heißt das Motto einer Demonstration, die am kommenden Samstag um 13 Uhr vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz führen wird. Die Palästinensische Gemeinde Berlin erwartet zwischen 5.000 und 10.000 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet.

Doch die Solidarität erweist sich als recht schwieriges Unterfangen. „Genauso wenig wie ich unter einer Stalinfahne laufen will, laufe ich unter einer Israel-Fahne mit Hakenkreuz“, sagt der PDS-Abgeordnete Freke Over in Anspielung auf den Ostermarsch. „Unter diesen Umständen fällt es mir schwer, meine Sympathie für Palästina zum Ausdruck zu bringen.“

Diese Skepsis lässt sich auch an der Unterstützerliste der Demonstration am Samstag ablesen. Mit dabei sind vor allem das palästinensische Solispektrum sowie Gruppen der Friedensbewegung. Parteien wie PDS und Grüne oder Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international fehlen dagegen.

Das hat auch mit den Forderungen des Demobündnisses vom Samstag zu tun. Neben dem Appell an die Bundesregierung, endlich Druck auf Israel auszuüben, oder der Forderung an Israel nach einem Ende der Besatzung wird auch die Anerkennung des Rückkehrrechts für palästinensische Flüchtlinge gefordert. Für viele Kritiker der derzeitigen israelischen Politik kommt das wiederum einer Aberkennung des Existenzrechts Israels gleich.

Walid von der Palästinenischen Gemeinde, die nach eigenen Angaben 700 der 30.000 in Berlin lebenden Palästinenser vertritt, bestreitet das allerdings. „Wir stellen das Existenzrecht Israels nicht in Frage“, sagt er. „Bei der Einwanderung vieler Russen in Israel war davon auch keine Rede. Stattdessen ging es um Integration.“ Zur Nichtteilnahme von Grünen und PDS sagt er: „Wir rennen niemandem hinterher.“

Gleichwohl spaltet der Nahostkrieg mitsamt seinem Bekenntniszwang die Linke nicht nur in Frankreich, sondern auch in Berlin. So fordern zeitgleich mit der Palästinademo zwei Gegendemonstrationen „Solidarität mit Israel“. „Gegen Antisemitismus und Antizionismus“ heißt das Motto bei einer Versammlung vor dem Berliner Rathaus um 12 Uhr. Harschere Töne finden sich in dem Aufruf zur zweiten Kundgebung „Gegen den antisemitischen Terror und seine SympathisantInnen“, die um 13.30 Uhr am Hackeschen Markt stattfinden soll. Die Forderung nach einer deutschen Parteinahme gegen Israel spiele dem „deutschen Großmachtstreben“ in die Hände.

Aber auch die in Berlin lebenden Juden bleiben von der zunehmenden Polarisierung nicht verschont. Während unter anderem die Jüdische Gemeinde am Sonntag gegen Antisemitismus demonstriert (siehe unten), rufen andere zur Teilnahme an der Pro-Palästina-Demo auf. „Die Palästinenser werden seit über 50 Jahren von Israel unterdrückt“, sagte gestern Petra Mendelsohn, deren Eltern den Holocaust überlebt haben. „Man muss Apartheid auch so nennen.“ Es sei unerträglich, dass die Kinder und Enkel der ehemaligen Opfer heute selbst zu Tätern würden. Mendelsohn gehört dem „Arbeitskreis Nahost“ an, einem Zusammenschluss von rund 25 Menschen, in der Juden, Palästinenser und nichtjüdische Deutsche gemeinsam aktiv sind. Auch die Forderung nach einem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge teilt der Arbeitskreis Nahost. Mendelsohn räumt aber ein: „Das kann auch eine moralische Anerkennung des geschehenen Unrechts sein, verbunden mit einer finanziellen Entschädigung.“ Die Selbstmordattentate halte sie zwar für „politisch kontraproduktiv“, sie könne sie aber verstehen.

Fritz Teppich, ein 83-jähriger Holocaust-Überlebender, rechtfertigte die Anschläge sogar: „Das ist die Antwort auf über 50 Jahre israelische Aggression.“ Der „jüdische Chauvinismus“ schüre einen neuen Antisemitismus in der ganzen Welt. Die Juden seien in der Pflicht, Israel zu kritisieren.