berliner szenen Eberswalder Straße

Highheels auf Beton

Auf Stahlstelzen erhebt sich der Bahnhof Eberswalder Straße über den Trubel in Prenzlauerberg, schützt sich vergebens durch Verkehrsinselhürden und verwinkelte Zugänge. Highheels klacken über den Betonboden des Bahnsteigs, katapultieren zwei Fersenpaare in schwindelerregende Höhe. Zwei Damen schweben vorbei, in Pelzmänteln, hüftlang. Handtäschchen und Netzstrupfhosen geben dem Outfit den letzten Schliff, viel Haut, viel Haar, die Puppengesichter sind in Hellblau und Altrosa getaucht. Die Blicke der umstehenden Männer bleiben an den beiden haften, etwas sehr Aufgeregtes legt sich über ihre Gesichter.

Eine Gruppe hipper Mittzwanziger zeigt sich unbeeindruckt. Offenbar kommen sie gerade aus einem Theater in der Kulturbrauerei, ihre Gespräche sind nicht zu überhören und sollen Fachwissen demonstrieren. Ein gut angetrunkener Ire sucht Halt an den Stahlträgen des gewölbten Dachs und sorgt für die musikalische Untermalung: In Lederjacke, ausgelatschten Schuhen und einer Hose, die sicher in 24/7-Schicht ihren Dienst tut, schrabbt er wild über seine Gitarre und grölt seine Lieder in einem urigen Slang.

Einige Schritte weiter steht einer, der schon zum Inventar zu gehören scheint: Seit Stunden steht er am Treppenaufgang des Hochbahnhofs, wünscht den Passanten ein schönes Wochenende und hält nebenbei sein privates Fahrkarten-Second-Hand-Geschäft am Laufen. Eine U-Bahn fährt ein, der Ire gibt alles, um sie zu übertönen. Mit einem kurzen Knall reißt eine der Nylonsaiten. Mehr als ein erstaunter Blick ist ihm der Unfall nicht wert. Er hebt den Filzhut, geht auf der Suche nach ein paar Cent umher. Mit einem Sprung erreicht er den Zug und wird vom roten Blinken der Türen verschluckt. SILKE LODE