Atomkritiker in Polizeidatei

Das Bundeskriminalamt bestätigt erstmals, eine spezielle Datensammlung zu AKW-Widerstand und Castor-Transporten zu führen. Polizei-Datenschützerin in Rheinland-Pfalz gab telefonische Auskunft

von PHILIPP HORSTMANN

Alexander Mühl staunte nicht schlecht. Eigentlich wollte der Badener Atomkraftgegner nur wissen, welche personenbezogenen Daten die Polizei von ihm gespeichert hat. Monika Brauer, Datenschutzbeauftragte der rheinlandpfälzischen Polizei, las am Telefon die Daten vor. Allerdings nicht seine, sondern die eines gewissen Herbert Würth.

Alexander Mühl hatte nicht einmal erwartet, am Telefon Auskünfte über sich selbst zu bekommen – geschweige denn, über andere Personen. Er machte die Datenschutzbeauftragte auf ihr Versehen aufmerksam. Daraufhin bekam Mühl die eigenen Daten aus der „Anti-Castor-Datei“ vorgelesen.

Damit ist jetzt bestätigt, was bislang nur vermutet wurde: Wer sich gegen Atomkraft engagiert, landet in speziellen Verzeichnissen der Polizeicomputer. „Dass es Castordateien gibt, hat man uns immer verschwiegen“, sagt Ulrike Donat, Rechtsanwältin aus Hamburg.

Nicht nur die Landespolizei speichert Aktivitäten von Atomkraftgegnern. Ein Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA) gesteht ein, dass bei der Bundespolizei eine „Anti-Atomkraft- und Anti-Castor“-Datei geführt wird. Darin werden unter anderem Aktivitäten gegen die Atomtransporte und die dafür genutzten „Castor-Behälter“ gespeichert. Die Sammlung enthalte strafrechtlich relevante Daten, die zur „präventiven“ Polizeiarbeit genutzt würden, heißt es beim BKA. Die Datensätze stammten größtenteils von den Landespolizeibehörden.

Was „strafrechtliche Relevanz“ in der Praxis heißt, weiß Alexander Mühl mittlerweile: etwa die Anmeldung eines Infostandes oder die Mitgliedschaft in einem atomkritischen Netzwerk. Beides nämlich war über Herbert Würth vermerkt, der Aktivist des Castor-Widerstands in Neckarwestheim ist. Ferner in der Akte: zwei In-Gewahrsam-Nahmen.

Würth erläutert wie es dazu kam. „Mit einem Freund wollte ich im Mai 2001 den Castor beobachten. Dabei sind wir ununterbrochen von verschiedenen Zivilstreifen verfolgt worden. In Neuburg wurden wir beide eine Stunde durchsucht und festgehalten.“ Zuvor war Würth bereits als Anmelder eines Infostands ohne sein Wissen in der Anti-Castor-Datei vermerkt worden. Die Gewahrsamnahme war der zweite Eintrag. Den dritten bekam er für die Teilnahme an einer nicht verbotenen Demonstration. „Rädelsführerei“ warf ihm die Polizei vor und hielt ihn viereinhalb Stunden fest. Verurteilt wurde Würth nach eigenen Angaben in keinem Fall.

Der Atomkraftgegner hat nun die Löschung der über ihn gespeicherten Daten beantragt, im Februar jedoch eine abschlägige Antwort erhalten. Klaus Golbing, Vertreter des Datenschutzbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz, rechtfertigt das. Rechtlich sei die Polizei befugt, „zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ personengebundene Daten zu verarbeiten. Übersetzt heißt das, schon wer „verdächtigt wurde, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Castor-Transporten verübt zu haben“, bekommt seinen Eintrag.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der PDS, beobachtet mit Skepsis den Datenschutz der rot-grünen Regierung. Sie bezweifelt, dass es irgendeine Rechtsgrundlage für derartige Karteien gibt: „Sie verstoßen gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.“