Terrorziel Synagoge

Im „Al-Qaida“-Prozess Angeklagter legt Teilgeständnis ab: Ziel des Anschlags war Straßburger Synagoge. Mit al-Qaida habe er nichts zu tun

FRANKFURT/MAIN taz ■ Am zweiten Verhandlungstag im „Al-Qaida“-Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hat der Angeklagte Auerobi Beandali überraschend ein Teilgeständnis abgelegt. Er habe – zusammen mit den vier anderen Angeklagten – tatsächlich geplant, in Straßburg eine Bombe zu zünden. Die Explosion sollte allerdings die Synagoge der elsässischen Landeshauptstadt zerstören und nicht, wie von der Bundesanwaltschaft in der Anklageschrift behauptet, ein Blutbad auf dem dortigen Weihnachtsmarkt anrichten.

Die Gruppe wollte die Bombe angeblich im Januar 2001 aus der Ferne zünden: „nach der Gebetsstunde“. Es sei aber nicht geplant gewesen, dabei Menschen zu verletzen. Das dürften gläubige Muslime nämlich nicht tun, so der 26-Jährige. Bei der Festnahme von vier der Angeklagten im Dezember 2000 hatten Beamte des Bundeskriminalamtes allerdings Utensilien zum Bau einer Nagelbombe mit verheerender Streuwirkung gefunden.

Als Motiv für die geplante Tat nannte Beandali die Abschiebepolitik Frankreichs. Paris schicke geflohene, „dem Tod geweihte Algerier“ wieder zurück nach Algerien. Die in zwei konspirativen Wohnungen sichergestellten Waffen sollten an die islamistische Front in Algerien geschmuggelt werden, so Beandali. Mit ihnen habe die Gruppe keine Attentate verüben wollen.

Beandali sagte weiter, dass seine Zelle keinerlei Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida unterhalten habe. Er selbst habe zwar neun Monate in einem Ausbildungslager im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet verbracht. Doch das sei eine „private Schulung“ gewesen und habe „nichts mit al-Qaida und auch nichts mit Ussama Bin Laden zu tun gehabt“. Beandali will dort lediglich „Munition verschossen“ haben, die er vorher aus eigener Tasche habe zahlen müssen

Vor Beandalis Aussage hatte der Angeklagte Lamine Maroni erneut versucht, mit Beleidigungen seinen Ausschluss vom Verfahren zu provozieren. Seine beiden Pflichtverteidiger nannte er „Teufel“; die Dolmetscher „Geheimdienstleute“. Er danke „Gott“, dass er ihn zu einem Muslim gemacht habe „und nicht zu einem Buddhisten, Sikh, Juden oder Nazarener“. Maroni gab lautstark zu Protokoll, dass er bereit sei, die von der „jüdischen Regierung in Algerien getöteten Kinder“ zu rächen. Die Kammer zeigte sich gelassen. Noch vor einer Woche hatte sie den wild gestikulierende Maroni nach seiner ersten großen Schimpfkanonade – „Hier sind doch alle Juden!“ – aus dem Saal entfernen lassen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT