Ball im Äther, Spiel vorbei

Bei einem Musterprozess klagt ein privater Hamburger Radiosender gegen den HSV und St. Pauli. Denn momentan kosten die Übertragungsrechte die Sender wenig. Die Vereine wollen das ändern

von CHRISTIAN RATH

Nirgendwo ist der „Tooor“-Schrei intensiver als im Radio. Hier ist der Reporter in der Regel live dabei, das Gefühl ist authentisch und nicht aufgezeichnet. Viele Fußballfans schwören daher immer noch auf Radioübertragungen und sehen mit Entsetzen, dass die Fußballvereine hier nun ebenfalls mit dem Rechte-Poker beginnen wollen.

Dagegen wenden sich vor allem die Privatsender. So führt Radio Hamburg derzeit einen Musterprozess gegen den Hamburger SV und den FC St.Pauli. Denn die beiden Vereine verlangten zur Saison 2000/2001 erstmals Lizenzgebühren für die Hörfunkübertragung. Radio Hamburg will nun feststellen lassen, dass es solche Übertragungslizenzen im Hörfunk gar nicht geben kann. Das Urteil soll heute fallen.

Viel übertragen will Radio Hamburg eigentlich gar nicht. Am Samstagnachmittag läuft in der Sendung „weekend“ vor allem der übliche Musikmix. Doch zu den Nachrichten jede volle Stunde möchte der Sender kurze Spielberichte live aus den Stadien der beiden Bundesligavereine einspielen. In besonderen Situationen – etwa beim entscheidenden Elfmeter im Abstiegskampf – käme auch eine Live-Schaltung ins laufende Programm in Frage.

Hierfür verlangen die beiden Vereine nun mehrere tausend Euro pro Saison – die will Radio Hamburg freilich nicht zahlen. Und zwar aus Prinzip nicht: „Für den Eintritt oder die Benutzung einer ISDN-Leitung würde wir durchaus einen Unkostenbeitrag akzeptieren“, erklärt Radio Hamburg-Sprecherin Martina Müller, „nicht aber für das bloße Übertragungsrecht“.

Der Sender hat Angst, dass die jetzt noch moderaten Summen bald deutlich steigen könnten. Vor allem wenn Vereine und Deutsche Fußball-Liga die Hörfunkrechte exklusiv vergeben würden, müssten die jeweiligen Rechteerwerber tief in die Tasche greifen, und die anderen Sender hätten das Nachsehen. Leo Kirchs Rechtehändler bezahlten für die TV-Rechte an der Bundesliga pro Saison rund 350 Millionen Euro. In diesen Dimensionen wollen und können die Radiomacher nicht denken.

Deshalb unterstützt auch der Verband für privaten Rundfunk (VPRT) die Hamburger Musterklage. „Im Jahr 2006 ist in Deutschland Fußball-WM, da wollen die Sender, die an den Spielorten ihren Sitz haben, natürlich nicht teuer bezahlen, um aus ‚ihrem‘ Stadion berichten zu können“, sagt VPRT-Sprecher Stefan Kühler.

Radio Hamburg argumentiert deshalb, dass die Leistung eines Radioreporters mit der eines Zeitungsjournalisten vergleichbar sei. „In beiden Fällen muss etwas beschrieben werden, was der Mediennutzer nicht sehen kann“, erläutert Martina Müller. Die Fußballvereine wollen die Analogie dagegen nicht akzeptieren. „Wer seinen Hörern ein Live-Feeling vermitteln will, muss bezahlen“, ist ihre Devise. Kostenlos seien nur nachträgliche Schilderungen dessen, was der Reporter zuvor gesehen hat.

Dieser Sicht scheint auch das in erster Instanz zuständige Landgericht Hamburg zuzuneigen. Richter Bolko Rachow ließ in der mündlichen Verhandlung Ende Februar erkennen, dass er die Klage von Radio Hamburg abweisen wird. Für die Sender ändert sich dadurch erst einmal nichts. Die privaten Anbieter haben notgedrungen auch schon in dieser Saison an die Vereine gezahlt. Und für die öffentlich-rechtlichen Sender besteht bereits ein Mischvertrag aus Fernseh- und Radiorechten.

Der Verband VPRT wird vermutlich auch eine Fortsetzung der Klage finanzieren. „Wir brauchen eine höchstrichterliche Klärung, auch im Interesse anderer Sportarten“, meint Kühler. Ob und wie viel die Sender also in Zukunft blechen müssten, ist offen wie ein 0:0 zur Halbzeit.