Essen wie Gott in Irland

Die irische Küche ist mittlerweile viel besser als ihr Ruf. Sogar der Guide Michelin hat das kulinarische Leben Irlands entdeckt. Begleitet wird der Wandel von der Neueröffnung vieler hochwertiger Einzelhandelsfachgeschäfte

Irland gilt nicht unbedingt als Dorado für Feinschmecker. Ganz im Gegenteil: In früheren Jahren zeichnete sich die Insel durch deftige Hausmannskost wie „Irish stew“ aus. Doch wie so vieles in Irland haben sich auch Küche und Gastronomie in den letzten zehn Jahren erheblich verändert. Immerhin haben sich mittlerweile zwei Dubliner Restaurants zwei Michelin-Sterne erkocht. Darüber hinaus wurden landesweit zehn Restaurants mit einem halben Stern ausgezeichnet. Da dürfte manchem Spötter von einst die Kritik im Halse stecken bleiben.

Auffällig ist die internationale Orientierung der Küche. Während früher das dicke und kräftige Stück Rindfleisch zum Standard jeder Restaurantkarte gehörte, brechen insbesondere junge Köche immer öfter mit dieser Tradition und setzen stattdessen auf Fisch. Obwohl der in Irland mehr oder weniger unbeliebt ist. Denn Fisch galt in Irland lange als Essen für arme Leute und wurde mit Hunger und Not assoziiert.

Ein typischer Vertreter der modernen irischen Küche ist Paul Flynn, der „The Tannery Restaurant“ in Dungarvan, einer Küstenstadt nordöstlich von Cork im County Waterford, betreibt. Landesweit bekannt wurde Flynn besonders durch seine wöchentliche Kolumne in der Irish Times.

„Ich will in meiner Küche weg vom altbekannten Rindfleischstück. Ich setze auf eine leichtere Küche“, meint der Spitzenkoch. Auf seiner Karte findet man stattdessen Tagliatelle mit Ratatouille und einer Safran-Creme (9,50 Euro) oder einen zweifach gebackenen Cashel-blue-Käse mit warmen Birnenkompott und Walnüssen für 6,30 Euro. Flynn ist experimentierfreudig, doch sein Versuch, „Fish and chips“ mit pürierten Erbsen und Kapernsauce für 10 Euro auf Gourmetniveau zu heben, überfordert auch seine Möglichkeiten: Bei „Fish and chips“ lässt sich nichts mehr löten. Dafür suchen seine besonders leckeren Desserts ihresgleichen.

Auch Lebensmittelgeschäfte, die qualitativ hochwertige Nahrungssmittel verkaufen, sind in Irland keine Seltenheit mehr. Solch einen Laden führt Aongus Walsh. Sein seit 1987 bestehender internationaler Weinladen, ebenfalls in Dungarvan, führt neben edlen Tropfen aus vielen Ländern Spezialitäten wie Relish, Chutney oder Honig aus biologischem Anbau. „Weingenuss war in Irland bisher wenig verbreitet. Deshalb ist der Informationsbedarf beim Verbraucher sehr hoch“, sagt Walsh und verweist auf eine sehr kleine Auswahl deutscher Weine. Sie stünden schwer im Regal, weil sie auf dem Etikett keine ausreichenden Informationen über den Rebsaft bereithalten würden. Am besten gingen Weine aus Australien und Neuseeland, weil diese Länder das beste Marketing betrieben. Auch chilenischer Wein laufe gut. Französischer Wein sei dagegen für irische Verhältnisse zu teuer.

Zum Wein gehört Brot, und damit ist es in Irland nicht schlecht bestellt. Was auch daran liegt, dass die Konzentration in der Bäckereibranche längst nicht so weit fortgeschritten ist wie in Deutschland. Esther Barrons, die im kleinen Städtchen Cappoquin im County Waterford in dritter Generation „Barron’s Backery“ führt, hält Deutschland für das „Brotparadies“. Doch mit ihren Backwaren, die sie aus wirtschaftlichen Gründen auch an mehrere Supermärkte liefert, muss sie sich wahrlich nicht verstecken. Denn ihr Laden widersteht den Großen mit Brotspezialitäten, die auf Rezepten ihres Großvaters beruhen. Ihr „Brown soda“ (aus Weizenvollmehl mit Buttermilch) oder „Barm brack“ (ein Heferosinenbrot) würden auch im Paradies Anklang finden. RICHARD ROMAN