Bei Regen fällt der Krawall aus

In Berlin rüsten sich Polizei und Linke für den 1. Mai. Ausschreitungen in Kreuzberg gelten als sicher. Die Polizei will sich in Deeskalation üben, aber nicht ganz zurückziehen. Auch die NPD marschiert – am Rande der Hauptstadt. Gegendemo geplant

aus Berlin DIRK HEMPEL

Ab heute Abend schaut die Hauptstadt auf Kreuzberg – wie jedes Jahr vor dem 1. Mai. Seit 15 Jahren kommt es an diesem Feiertag regelmäßig zu Krawallen. Linksradikale Gruppen haben diesmal gleich drei Demonstrationen angemeldet. Aber auch die NPD will erneut marschieren. Die Polizei bereitet sich auf Ausschreitungen vor. Und Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wünscht sich nur noch eines: „zwölf Stunden Platzregen“.

Fast niemand zweifelt daran, dass es zu Zusammenstößen zwischen jugendlichen Demonstranten und der Polizei kommen wird. Nur das Wie und Wann ist fraglich. Geklärt ist hingegen inzwischen, dass die linksradikalen Gruppen durch Berlin-Mitte ziehen dürfen. Zunächst hatte die Polizeiführung nicht nur das Regierungsviertel zur Sperrzone erklärt, sondern im gesamten Berliner Zentrum mit einem Demonstrationsverbot gedroht.

Mit einer solchen Sanktionspolitik hat man im vergangenen Jahr allerdings schlechte Erfahrungen gemacht. Nachdem die große linke Demo untersagt worden war, kam es zu den schwersten Auseinandersetzungen seit Jahren. Ein Bild, das die seit Dezember amtierende rot-rote Koalition nicht wiederholt sehen möchte: Und so dürfen die linksradikalen Gruppen morgen nun doch über den Alexanderplatz promenieren – wenn auch nicht am Auswärtigen Amt und an der Einkaufsmeile Friedrichstraße vorbei. Zu groß war die Sorge, diese symbolträchtigen Orte könnten Beschädigungen geradezu herausfordern. An beidem wollten die Veranstalter zunächst vorbeiziehen, um gegen die deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan und die Sparpolitik des Berliner rot-roten Senats zu protestieren.

Anders als in vergangenen Jahren will sich die Polizei jetzt am 1. Mai deutlich zurückhalten. „Vielleicht gehen wir auch mal an einem brennenden Auto vorbei, ohne einzugreifen“, erklärte gestern ein hoher Polizeiführer. Zunächst hatte ein breites Berliner Personenbündnis sogar eine noch größere Zurückhaltung der Polizei vorgesehen: Um den 1. Mai endlich ohne Krawall austragen zu können, sollte sich die Polizei aus ganz Kreuzberg zurückziehen, wo die Demonstration enden soll. Statt Randale sollte der Ortsteil dann vor allem politische Diskussionen erleben. Der Entwurf scheiterte, weil SPD-Innensenator Körting solch ein Experiment nicht wagen wollte.

Zumindest für die Demonstranten ist klar, dass der Krawall stets von der Polizei ausgeht: „Die haben ihre eigenen geschlossenen Einheiten nicht unter Kontrolle“, erklärt Michael Kronewetter von der Antifaschistischen Aktion Berlin. Und so bereitet sich die linke Szene auf die scheinbar unvermeidbaren Ereignisse vor: Im Internet und in Szene-Zeitschriften werden bereits Verhaltenstipps gegeben. So wird vor der „Dokumentation der Gegenseite“ gewarnt – und daher für „Tätigkeit gewisser Art“ die Vermummung mit „Tuch und Basecap oder so“ empfohlen. Nur einige Aktivisten sind es offenbar mittlerweile leid, die Ausschreitungen Jahr für Jahr in Kreuzberg auszutragen: „Brennende Autos vor dem Auswärtigen Amt finden wir tausendmal besser als im eigenen Kiez“, heißt es in einer Szene-Zeitschrift.

Für zusätzlichen Konfliktstoff sorgt die NPD, deren Aufmarsch von der Polizei in den Außenbezirk Hohenschönhausen verlegt wurde. In Hör- und Sichtweite wollen dort auch Nazi-Gegner protestieren.

Das Wetter scheint es nicht gut mit Innensenator Körting zu meinen. Die aktuelle Prognose jedenfalls verspricht den Berlinern einen heiteren Himmel und Temperaturen über 20 Grad Celsius.