Mehr als ein großer Spaßvogel

Materialismus? Faschismuskritik? In seiner kleinen Billy Wilder-Retrospektive zeigt das Metropolis in diesem Monat einige der in Deutschland bisher nicht so beliebten Filme des im März gestorbenen Regisseurs

Was kann zum Tod Billy Wilders noch geschrieben werden? Als der Regisseur und Autor am 28. März dieses Jahres starb, schaltete das Feuilleton auf Heavy Rotation. In wechselnder Abfolge wurden die immergleichen Anekdoten aufgelegt, ob nun Wilders bekanntlich wilde Berliner Zeiten, die hundertmal gehörte Mär von Marilyn Monroes chronischer Unpünktlichkeit oder sein inniges Verhältnis zu Marlene Dietrich.

Sicher war der 1906 im gallizischen Sucha Beskizdzka geborene Filmemacher nicht unwesentlich an der Popularisierung seiner Biografie beteiligt. Spätestens nach seinem letzten Spielfilm Buddy, Buddy (1981), mit dem das Metropolis seine kleine Retrospektive Ende Mai abschließt, begannen cinephile Nachlassverwalter mit der Aufarbeitung seiner Werkgeschichte. Und da Wilder stets kurzweilige Reminiszenzen oder clevere Aphorismen parat hatte, sind Artikel, Bücher und Dokumentationen über sein Schaffen mittlerweile Legion.

Das einzige Problem an dieser Umarmung durch Fans, Journalisten und Kollegen ist die schleichende Reduktion Wilders auf eine geistreiche Hollywood-Legende oder, viel, viel schlimmer, auf einen altersweisen Spaßvogel – weshalb in Deutschland wohl kaum einer seiner Filme so häufig gezeigt wurde wie Some Like It Hot (1959). Die zweifellos wunderschöne Komödie steht hierzulande synonym für denjenigen Wilder, den das große Publikum liebt: turbulent, wortgewandt und letztlich eskapistisch.

Interessanter ist aber, warum die bundesrepublikanischen Wilder-Liebhaber mit A Foreign Affair (1948), Stalag 17 (1953), aber auch mit Eins, Zwei, Drei (1961) nie so richtig warm geworden sind. Zum einen passten die politischen Komödien sicher nicht ins Bild vom unterhaltsamen, versöhnlichen Meisterregisseur. Dass Wilder seine dezidierte Meinung zu Faschismus und zur deutschen Vergangenheit in diesen Filmen zu transportieren verstand, löste halt nicht dieselbe Begeisterung aus wie Jack Lemmon in Frauenkleidern.

Aber auch die materialistische Kritik in Wilders Filmen wurde gerne ausgeblendet. Die Schärfe, mit der etwa The Appartment (1960), Irma la Douce (1963) und The Fortune Cookie (1966) unter dem Deckmantel heiterer Situationskomik über den Warenwert menschlicher Beziehungen spekulierten, fand kaum Platz in den auf Spaß und Nostalgie gebürsteten Monografien. So hat Hellmuth Karasek in seinem Wilder-Band das Anekdotentum ebenso zur Wissenschaft erhoben wie der filmende Yuppie-Apologet Cameron Crowe in seinem – immerhin besser editierten – Konkurrenzprodukt.

Dass sich Letzterer von seinem erklärten Vorbild Wilder schnell noch die Absolution für die windelweiche Kuschelrock-Oper Almost Famous (2001) erteilen ließ, in der Crowe übrigens dreist eine der besten Szenen aus The Appartment kopiert und zugleich verwässert, blieb von der Kritik leider unkommentiert. Dabei hätte sich hier Gelegenheit geboten, noch zu Lebzeiten Wilders eine klare Trennlinie zu ziehen: zwischen kumpeligen Cineasten, die „ihren“ Billy vereinnahmen wollen, und dem widerstandsfähigen Werk Wilders.

David Kleingers

A Foreign Affair: Do, 21.15 Uhr + Fr, 17 Uhr; Eins Zwei Drei: Sa, 19 Uhr; Das Mädchen Irma la Douce: Mo, 21.30 Uhr; Double Indemnity: Mi, 17 Uhr + 10.5., 19 Uhr; Der Glückspilz: 9.5., 22.15 Uhr + 11.5., 17 Uhr; Stalag 17: 22.5., 17 Uhr + 25.5., 17 Uhr; Ariane – Liebe am Nachmittag: 25.5., 19 Uhr + 26.5., 21.15 Uhr; Buddy Buddy: 26., 29. + 31.5., 17 Uhr, Metropolis