stöbern im stöbern von HOLM FRIEBE
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Stöbern … Hübsches Wort. Sympathische Lautfolge, ein interessanter Umlaut, den man debil in die Länge ziehen kann: stöööööbern. Klingt irgendwie warm, weich und geschmeidig. Nachdem das onomatopoetische Feld abgegrast ist, nähern wir uns der inhaltlichen Seite. Wir, das sind Frau P. und ich, die wir gerade gemeinsam über das Stöbern nachdenken.

„Stöbern ist etwas, das kleine Tiere machen, die sich wichtigtun wollen“, behaupte ich rundheraus. Tiere, die mehr Arbeit vortäuschen, als ihr tägliches Geschäft der Existenzsicherung eigentlich mit sich bringt. Stöbern geschehe demnach in einem Zustand künstlicher Erregung, in dem das Tier stoßweise so intensiv Luft durch die Nase zieht, dass es dabei das Ausatmen fast vergisst. „Genau!“, sekundiert Frau P.

Sehr gut kann man sich auch Tiere mit länglichen Nasen stöbernd vorstellen, Igel zum Beispiel. Tatsache: Ein Igel mag hektisch und aufgeregt stöbern, obwohl weit und breit nichts erkennbar ist, was ihm die Fundsache streitig machen könnte. Wichtig sei, so Frau P. weiter, dass immer unter etwas gestöbert würde, Laub etwa. Zur Not sei auch stöbern in etwas vertretbar, wenn es sich dabei um Kisten oder Keller handelt. Stöbern auf etwas hingegen sei nur in Verbindung mit „Dachboden“ statthaft.

Aber zurück zu den Tieren. Meist sind es die etwas dusseligeren Tiere, denen man stöbern unterstellt, vielleicht weil Stöbern das genaue Gegenteil von systematischer Suche darstellt. Fast konstitutiv gehört zum Stöbern deshalb, dass es an der komplett falschen Stelle vonstatten geht. Sehr gut kann man sich beispielsweise zum im raschelnden Laub stöbernden Igel einen griechischen Tragödienchor assoziieren, der immer „Kalt, kalt, kalt!“ ruft.

In Abgrenzung zum Wühlen (etwa in fremden Sachen) hat das Stöbern immer auch etwas Zielloses. Der Stöbernde, ließe sich sagen, ist der Flaneur unter den Suchenden. Wie jener nicht flaniert, um irgendwo anzukommen, stöbert dieser nicht, um etwas Bestimmtes zu finden, sondern um des Stöberns willen. Deshalb funktioniert Stöbern auch nur an bestimmten Orten, die dafür wie gemacht sein müssen. Hervorragend geeignet sind neben raschelnden Laub- auch Bettdecken. Unter Bettdecken stöbern ist wirklich das Allergrößte!

Sehr ungeeignet fürs Stöbern dagegen: das Internet. „Im Internet stöbern ist wie es sich unter einer Baustahlarmierung gemütlich machen“, findet Frau P. und hat damit aber auch mal wieder so was von Recht. Vielleicht sollte das mal jemand den Internetanbietern stecken, die neuerdings eine „Stöbern“-Funktion eingerichtet haben. Das, was man auf ihren aseptischen Websites tun kann, hat aber auch nicht das Geringste mit Stöbern zu tun.

Nachdem wir uns so ordentlich echauffiert und in Rage geredet haben, fällt uns erst mal nichts Neues zum Thema ein. Deshalb gehen wir leise schnaufend raus in den dämmernden Abend. Wir stromern herum, von Lokal zu Lokal, auf der Suche nach etwas Bestimmten, von dem wir nicht sagen können, was es ist. An einer Ecke steht ein antiker Chor und ruft: „Kalt, kalt, kalt!“