Global Player auf zwei Rädern

High-End-Reiseräder sind eigentlich nicht für diese Welt gemacht. Aber für Leute, die bereit sind, Grenzen zu überschreiten – auch preislich. Mit den üblichen Trekkingrädern haben die Modelle der Velo-Schmieden Koga-Miyata und Norwid wenig gemein. Zwei Beispiele aus neuester Produktion

Voll im Trend: das Bekenntnis zu mehr Reisekomfort mittels Federung

von HELMUT DACHALE

Wohin soll die Reise gehen? Es gibt ein paar Fahrradhersteller, für die scheint diese Frage schnell abgehakt. Australien, Antarktis, Kap Hoorn – solche Örtlichkeiten nennt zum Beispiel die Firma in ihren prächtigen Katalogen. Und doch: Der Anspruch ist verständlich.

Das Unternehmen aus dem holländischen Heerenveen zählt zu den wenigen, die das Modell Reiserad überaus ernst nehmen. Womit nicht der übliche Trekkingrad-Verschnitt gemeint ist, der in Stadt und Land unspektakulär seinen Dienst tut. Gemeint ist vielmehr ein stark belastbarer Dauerläufer, der selbst die Wüstenpiste nicht scheut. Natürlich auch nicht den Stadtverkehr – dort jedoch könnte er auf Grund seiner hochgezüchteten Technik so unpassend wirken wie Schumachers Ferrari.

Zu diesen Typen zählt Kogas WorldTraveller. 1999 Fahrrad des Jahres in den Niederlanden, 2000 derselbe Titel in Belgien, und auch der Jahrgang 2002 kann sich sehen lassen. Auf den ersten Blick ein gedrungener, bulliger Typ. Das liegt am überdimensionierten Ober- und Unterrohr des Alu-Rahmens, an den nur 26 Zoll großen Laufrädern und der Bereifung in satter 47er-Breite.

Voll im Trend: das Bekenntnis zu mehr Reisekomfort mittels Federung. So was hat es bei Lasteneseln bis vor ein paar Jahren noch nicht gegeben – und bei der Normalversion des Travellers gibt es das auch immer noch nicht. Der S-Version lockt hingegen mit einer Federgabel (65 Millimeter Federweg laut Hersteller). Trotzdem kann dies als Kompromiss angesehen werden: Der Hinterbau ist ungefedert. So erübrigt sich die Frage, wie die Aufschwingung der hinteren Zuladung verhindert wird. Bei einer solch stabilen Konstruktion schwingt nichts auf.

Koga-Miyata arbeitet seit Jahren hartnäckig an seinem Ruf, ein gewaltiger Qualitätsfanatiker zu sein. Also nicht verwunderlich, dass sich hier an Komponenten versammelt hat, was gut und teuer ist. Angefangen bei der 27-gängigen Shimano-Schaltung XT bis hin zum wohlgerundeten Low-Rider. Ansichtssache ist, ob die voluminöse Batterie für die Lichtanlage ins Bild passt – auf alle Fälle passt sie nicht zur deutschen Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Aber wer nach draußen will, dem dürfte das ja egal sein.

Zu der kleinen Gruppe der hochkarätigen Reiseräder zählen sicherlich auch die Norwid-Produkte, gefertigt in einer kleinen Manufaktur bei Elmshorn. Sogar die Rahmen werden dort zusammengelötet. Auch wenn die Marke noch nicht den friesischen Bekanntheitsgrad hat, lässt sich an ihr ebenfalls demonstrieren, wie die Tradition des klassischen Reiserades weiterentwickelt wird. Und zwar mit ähnlichen Mitteln. So gibt es das Modell Skagerrak in diesem Jahr auch mit 26-Zoll-Laufrädern, und Shimanos XT-Gruppe kann ebenfalls verbaut werden sowie eine Federgabel (allerdings dann als ein Parallelogramm-Gestänge mit angegebenem Federweg von 40 bis 50 Millimetern). Und wie der WorldTraveller ist Skagerraks Hinterbau ungefedert – wohl auf Grund von ähnlichen Überlegungen. Zwei erhebliche Unterschiede sind indes nicht zu übersehen.

Zum einen darf bei Norwid der Kunde weitgehend mitbestimmen. Das beginnt bei der Rahmengeometrie und endet längst nicht bei der Laufradgröße und den Schaltungskomponenten (auch Rohloffs 14-Gang-Nabe zählt zum Angebot). Ob Bremsen, Felgen oder Bereifung – die Alternative gehört zum Programm.

„Jedes unserer Räder ist ein Unikat“, sagt Geschäftsführer Rudolf Pallesen. Zum anderen schwört man bei Norwid nach wie vor auf Stahl. Allerdings auf Edelstahl und CrMo-Legierung, darunter macht man’s nicht. „Derartige Stahlrahmen“, so Pallesen, „sind das langlebigste Produkt.“

Auch bei Norwid denkt man in puncto Radreise offensichtlich global. Das Ding soll nicht nur hier und heute halten, sondern auch demnächst im Himalaya. Hohe Ansprüche, die zwangsläufig zu hohen Preisen führen: Ein Skagerrak mit XT und Federgabel ist nicht unter 2.700 Euro zu haben – und kostet damit noch gute 700 Euro mehr als der WorldTraveller (S) aus dem vornehmen Hause Koga-Miyata.