Der Weg ist der Job

Christine Mohr und Jürgen Reimer sind seit acht Jahren die Profis unter den Europa-Radreisenden. Mit Diashows und Artikeln bringen sie die Menschen auf Touren: Reisetipps zum Nachfahren

von UTA GELLERT

Es begann wie in einem B-Movie: Sie hatte den Platten – er das Flickzeug. Konnte diese Story ein Erfolg werden? Sie konnte. Seit acht Jahren gehen Christine Mohr und Jürgen Reimer gemeinsam auf Radreise. Sie haben sie als Existenzgrundlage entdeckt. Ihre Erlebnisse verarbeiten sie zu gut besuchten Diashows, veröffentlichen Artikel und Reiseführer. Erfolgsrezept: „Wir verkaufen keine gefährlichen Abenteuer, sondern Europa zum Nachfahren.“

Das Duo kann mittlerweile auf neun Radreisen zurückblicken – angefangen 1994 mit einer Elbetour von Hamburg nach Prag. Danach Kreta, Masuren, die Toskana, Schweden, der Balkan, Irland und Wales, das Baltikum und im letzten Jahr dann Mecklenburg-Vorpommern. Jeweils vier- bis zwölfwöchige Reisen zwischen 1.500 und 5.000 Kilometern. Reisen, die von hundert Kilogramm Gepäck, drei Kameras, drei Fotostativen, diversen Objektiven, vierhundert Diafilmen und einem dezidierten Reisetagebuch begleitet werden.

Sehr genau halten die beiden ihre Erfahrungen mit der Ausrüstung fest. Für Werbepartner wie Continental, Jeantex, Abus und Ortlieb betätigen sie sich als Hardcoretester. Ob Bekleidung, Reifen oder Helme – zahlreich sind die Produkte, mit denen sie nachweisbare Erfahrungen gesammelt haben.

Dabei liegen dem Profipaar nach eigenem Bekunden eher die menschlichen Begegnungen am Herzen. Die stehen dann im Mittelpunkt ihrer Diashows: siebzig bis hundert Veranstaltungen pro Jahr, für die sie mehrere Monate durch deutsche Lande tingeln. „Bei uns ist eine Riesentechnik im Spiel“, so Christine Mohr, die die Musik zusammenstellt und mit den Bildern am heimischen PC mischt. Und wo die Auswahl schwer fällt: „Auf der Mecklenburg-Vorpommern-Reise haben wir 14.000 Bilder geschossen, 720 werden letztlich gezeigt. Ein monatelanger Auswahlprozess, der erst kurz vor der ersten Show endet.“

Offensichtlich eine Arbeit, die ankommt. In den alten Bundesländern gäbe es schon regelrechte Fanclubs, einen immer größer werdenden Kreis von Anhängern, die häufiger kämen. Und so mancher sage auch schon mal, was ihm nicht passt. „Denn viele kennen die Gegenden, die wir abfahren“, so Jürgen Reimer, zuständig für Text und Gestaltung. Oder fahren danach dorthin, um von ihren Erlebnissen via Postkarte zu berichten. Sozusagen interaktive Shows – späterer Wiedererkennungseffekt nicht ausgeschlossen: „Auf unserer Reise durch Mecklenburg-Vorpommern haben uns allein 14 Leute angesprochen, die in unseren Shows waren.“ Zurück zum Thema Abenteuer: Ist Radtourismus in Europa wirklich ungefährlich? „Da, wo es keine touristische Infrastruktur gibt, kann es schon mal brenzlig werden – wie auf dem Balkan, wo wir fast auf einem Minenfeld übernachtet hätten“, erinnern sich die beiden. Ausnahmen. Das Angenehme überwiege. Christine Mohr erwähnt immer wieder die Gastfreundlichkeit, die man als Radwanderer eigentlich überall erfahre. Zum Beispiel der albanische Schäfer, der sie wie alte Bekannte begrüßt hat: „Erst hat er mit seinen Schafen geschmust, dann mit mir“, schmunzelt Jürgen Reimer.

Doch was sich wie Ferienerlebnisse anhört, ist für Mohr und Reimer knallharte Arbeit. Ihr Job, haben sie ausgerechnet, bestehe zu achtzig Prozent aus reiner Organisation. Die Reisen müssen akribisch geplant werden, die Veranstaltungsorte wollen unter kaufmännischen Aspekten ausgewählt sein.

Auch die Heimat wird vermarktet. Beweis: Der demnächst bei der Bielefelder Verlagsanstalt erscheinende Radreiseführer über den Rundkurs Bremen, Stade und Cuxhaven (Arbeitstitel: „Vom Teufelsmoor zum Wattenmeer: Fahrraderlebnisse zwischen Bremen, Stade und Cuxhaven“). Ihr Wohnort Hechthausen liegt mittendrin.

Wie es in diesem Jahr weitergeht, ist noch nicht ganz raus. Vielleicht Russland. Oder back to the roots: Noch mal die 94er-Elbereise, um eine neue Diashow daraus zu machen. Oder nur eine Deutschlandtournee mit der Balkanreise von 1998 im Gepäck. Dass es diesmal anders läuft, hat einen triftigen Grund. Denn das wichtigste Event für beide ist in 2002 die Hochzeit. Gemeinsam – als neues Kapitel ihrer privaten Erfolgsstory.