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: Viren, die sich einnisten und reaktiviert werden

Herpes

Es beginnt mit leichtem Brennen, Juckreiz und einem diffusen Spannen bevorzugt am oberen oder unteren Rand der Lippe, und es folgen einige Stunden später kleine, mit Flüssigkeit gefüllte und in Gruppen auftretende Bläschen: Das Herpesvirus ist wieder in Aktion getreten.

Für ansonsten gesunde Betroffene ist das Auftreten dieser Form des Herpes vor allem eins: lästig. Sie wissen, dass diese Erkrankung sie immer mal wieder ereilt, oft an derselben Stelle im Gesicht, und sie kennen Symptomatik und Verlauf. Zwei Wochen dauert die Erkrankung. Dabei kann nach dem Eintrocknen der Bläschen die befallene Stelle hin und wieder noch aufplatzen und bluten, doch zumeist stellt sie dann gerade noch ein kosmetisches Problem von kurzer Dauer dar. Narben bleiben nach der Abheilung keine zurück.

Das Herpesvirus besitzt die Fähigkeit, sich nach der Infektion im menschlichen Körper förmlich einzunisten, um schließlich bei bestimmten Dispositionen reaktiviert zu werden. Sitz des Virus sind verschiedenste sensible und periphere Nervenbahnen – im Gesicht jene des Trigeminus-Nervs –, die Haut und Schleimhäute im vorderen und seitlichen Gesichtsbereich sensibel versorgen.

Auslösende Faktoren für eine Reaktivierung gibt es viele: starke Sonneneinstrahlung, beruflicher und privater Stress. Oft folgt ein Herpes auf fieberhafte Erkältungen („Fieberbläschen“), und nicht selten schlagen sich Frauen während der Menstruation mit ihm herum. Manchmal reicht bloßer Ekel – vor einem schlecht geputzten Glas, vor dem Herpes eines Kollegen. Gerade im letzteren Fall aber gilt, dass die Bläschen nicht direkt „übertragen“, sondern durch den eigenen Virus evoziert werden. Die Durchseuchung ist hoch: Etwa neunzig Prozent der Weltbevölkerung sind infiziert, wobei die Primärinfektion meistens ohne Symptome erfolgt. Bei einem Drittel kommt es dann mitunter mehrmals im Jahr zu Rezidiven, mitunter nur einmal in zwei Jahren oder seltener.

Der Gesichtsherpes, der durch den Herpes-simplex-Virus Typ 1 hervorgerufen wird und auch an Augen oder Wangen auftreten kann, ist zu unterscheiden vom Genitalherpes, dem Herpes-simplex-Virus Typ 2. Erfolgt die Infektion von Typ 1 per Tröpfchen oral und im Kindesalter, so infiziert man sich mit Typ 2 während des Geschlechtsverkehrs. Naturgemäß beginnt die Durchseuchung mit Typ 2 erst nach der Pubertät und ist dementsprechend niedriger: Zehn bis dreißig Prozent der Bevölkerung haben den Genitalherpes. Brennen, Juckreiz, Rötungen und Bläschen treten hier um die Genitalien oder den After herum auf, auch größere Geschwüre sind möglich. Beide Virustypen können zwar zu den gleichen Erkrankungen führen, doch größtenteils wird Typ 1 im Gesicht nachgewiesen und Typ 2 um die Genitalien. Zwanzig Prozent der genitalen Herpesinfektionen jedoch werden durch Typ 1 verursacht.

Als schwere Komplikationen hervorzuheben sind Entzündungen der Augenbindehäute, des Gehirns und der Hirnhäute sowie das so genannte Erythema exsudativum multiforme, das sich in Form vielfältigster Hauterscheinungen zeigt. Vor allem Aidspatienten haben mit schweren und langwierigen Verläufen nach Herpesinfektionen und -reaktivierungen zu kämpfen.

Behandelt wird Herpes mit dem Virostatikum Aciclovir, das auf einer Substanz basiert, die aus einem vor Florida lebenden Schwamm gewonnen wird. Landläufig ist Aciclovir vor allem unter dem Handelsnamen Zovirax bekannt. Im Gesichtsbereich trägt man Zovirax lokal als Salbe auf. Es hilft aber nur dann, wenn man es beim Auftreten oben beschriebener Vorsymptome einsetzt. Sind die Bläschen einmal da, nützt kein Zovirax mehr. Effektiver dagegen ist das Mittel bei der Behandlung des Genitalherpes. Diese erfolgt nie lokal, sondern in Form von Tabletten, die über mehrere Tage eingenommen werden.

Die beiden Typen des Herpes-simplex-Virus gehören zu der fast hundert Mitglieder zählenden Herpesvirenfamilie. Erinnert sei hier kurz an die Elefantenbullen Mampe und Kiri, die im Berliner Zoo Herpesviren zum Opfer fielen. Humane Herpesviren, bei denen ausschließlich der Mensch als Wirt fungiert, gibt es nur sieben. Neben den Simplex-Typen dürfte der bekannteste unter ihnen das Varizellen-Zoster-Virus sein. Es löst im Kindesalter die Windpocken aus und im Erwachsenenalter den Herpes-Zoster, auch Gürtelrose genannt, wenn er im Bereich des Rückens auftritt.

Das Prinzip ist dasselbe wie beim Herpes-simplex: Bei nachlassender zellulärer Immunität kommt es zu einer Reaktivierung des Varizellen-Zoster-Virus. Zoster tritt meist bei älteren Menschen auf sowie bei Menschen mit Immunschwächen wie Aids, Leukämien, Malignomen und unter zytostatischer oder immunsupressiver Therapie. Der Zoster beschränkt sich meist auf bestimmte Hautareale. Auch hier ist die Symptomatik gekennzeichnet durch Bläschen, Jucken, Brennen. Sie kann münden in langjährigen, hartnäckigen Neuralgien mit bohrenden Schmerzen. Andere humane Herpesviren sind der Epstein-Barr-Virus, der für das Pfeiffer’sche Drüsenfieber verantwortlich ist, und der Zytomegalie-Virus. GERRIT BARTELS

(wird fortgesetzt)