Ein Wahlsieg macht noch keine Legitimität

Madagaskars gewählter Präsident Marc Ravalomanana ist vereidigt. Aber das Ausland erkennt ihn nicht richtig an

BERLIN taz ■ Der Sieger der Präsidentschaftswahlen von Dezember 2001 auf Madagaskar hat sich gestern zum zweiten Mal als Präsident vereidigen lassen. 100.000 Menschen strömten in das Sportstadion der Hauptstadt Antananarivo, wo Marc Ravalomanana den Amtseid ablegte.

Schon einmal, am 22. Februar, hatte sich Ravalomanana an diesem Ort vereidigen lassen. Sein Vorgänger Didier Ratsiraka, der die Wahl verloren hatte, zog sich daraufhin in die Küstenstadt Toamasina zurück und organisierte eine gewaltsame Wirtschaftsblockade der Hauptstadt. Internationale Vermittlung erwirkte schließlich am 18. April in Senegals Hauptstadt Dakar ein Abkommen zwischen den beiden, das eine Neuauszählung der Stimmen durch das Verfassungsgericht vorsah. Für den Fall, dass keiner der beiden die absolute Mehrheit erhalten sollte, wurde ein Referendum angesetzt. Dies erwies sich als überflüssig: Am 29. April erklärte das Verfassungsgericht Ravalomanana zum Sieger mit 51,46 Prozent der Stimmen.

Der Verlierer Ratsiraka erkannte das nicht an. Schon vorher hatte er das Abkommen von Dakar gebrochen, indem er die Straßenblockade der Hauptstadt nicht aufhob. Nun ging er noch einen Schritt weiter: Die Ratsiraka-treuen Gouverneure von vier der sechs Provinzen Madagaskars erklärten letzte Woche ihre Unabhängigkeit. Die neue gewählte Regierung kontrolliert nur die Hauptstadt und die südöstliche Provinz Fianarantsoa.

Normalerweise müsste sich die internationale Gemeinschaft jetzt klar hinter den gewählten Präsidenten stellen. Nicht nur erkennt Ratsiraka seine Wahlniederlage nicht an, sondern seine Anhänger brechen mit ihren Sezessionserklärungen auch die Verfassung, ruinieren mit ihren Straßenblockaden die Wirtschaft und schüren den Bürgerkrieg.

Aber dies ist nicht der Fall. Nachdem das Verfassungsgericht am 29. April Ravalomananas Wahlsieg feststellte, äußerte die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) „Besorgnis“. Der Richterspruch „könnte die Umsetzung des Abkommens von Dakar präjudizieren“, sagte OAU-Generalsekretär Amara Essy. Der ehemalige Außenminister der Elfenbeinküste, der seine Karriere in der Zeit der Einparteiendiktatur gemacht hat, gab sich als Lehrer: „Wissen Sie, eine Wahl gewinnen und ein Land regieren sind zwei verschiedene Dinge.“

Ein OAU-Team von Unterhändlern reiste nach Madagaskar und behauptete, neben dem schriftlichen Abkommen vom 18. April gebe es eine informelle Abmachung, wonach es in jedem Falle nach der Stimmauszählung eine Volksabstimmung über das Amt des Präsidenten geben solle. Ravalomananas Anhänger wiesen dies zurück: Dann hätte man sich die Neuauszählung der Stimmen sparen können. Ratsiraka hingegen bezichtigt seinen Widersacher nun des Bruchs eines „Geheimabkommens“.

Unter Druck gesetzt, erklärte sich Ravalomanana gestern zu einer neuen internationalen Vermittlung nächste Woche bereit. Der neue Präsident hat schlechte Karten. Zu seiner Amtseinführung schickten die Botschaften der EU-Länder nur ihre zweithöchsten Vertreter, entgegen dem üblichen Protokoll. So, als wollten sie sagen: Die Nummer eins gehört immer noch Ratsiraka. DOMINIC JOHNSON

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