Klettermax und Katzenretter

■ Arbeit mit Riesenkampfzwille und Seil: In schwindelnder Höhe rücken Profi-Baumkletterer brüchigen Ästen zu Leib. Jetzt lockt die Ausweitung ihrer Kletteraktivitäten in den Eventbereich

Ein Schwung aus der hageren Hüfte, ein flinker Griff an den Knoten am Seil – seinen Arbeitsplatz erreicht der Bremer Volker Kranz (36) auf ungewöhnlichen Wegen. Mit Klettergurt, Helm und Karabinerhaken hangelt sich der Baumpfleger durch das Astgewirr bis in die höchsten Kronen. Hebebühnen? Der drahtige Kraxler lacht: „Mein Einsatzgebiet sind enge Hinterhöfe.“

Totes Holz muss raus, bruchgefährdete Kronen mit elastischen Seilen gesichert werden. Pilze am Wurzelstock unterminieren die Standfestigkeit des Baumes: Dann verringert Kranz das Gewicht am anderen Ende – an der Krone nämlich. Zum luftigen Job des Naturfreunds gehört auch das Baumfällen – mit Motorsäge.

Um ins Geäst zu kommen, schießt der Baum-Fan mit einer Art „Riesen-Kampfzwille“, Gummilänge knapp ein Meter, ein mit Stahlkügelchen gefülltes Säckchen über einen stabilen Ast. Wenn das Säckchen sinkt, zieht es das Seil nach oben. Drei Minuten später sitzt der Klettermax in 20 Metern Höhe. Trotz Säge, Rettungsset und Abseilrollen am Gürtel.

Seine Klettertechnik hat sich Kranz, der in einer Baumschule gelernt hat, in England abgeguckt. „Vor 17 Jahren. Das war damals ganz exotisch. Anfangs gab es hier auch gar keine Ausrüstung. Ich musste viel improvisieren.“ Heute gehört das Klettern zur Standardausbildung an bundesdeutschen Baumpflege-Kollegs. Denn das innovative „Low-tech“-Gerät hat sich durchgesetzt, weil es superflexibel ist. Mit ihm ist fast jede Stelle in der Krone erreichbar. Selbst Besenstiel-dünne Äste geben Kranz' Füßen noch genug Halt – weil sein Gewicht am Seil hängt. Bevor er zum Werkzeug greift, sichert sich der Baumpfleger trotzdem stets mit einem zweiten Seil. „Unsere Sägen sind so scharf“, sagt er. Am gefährlichsten seien aber abgetrennte Äste, die ausschlagen. Im Notfall muss ein Kollege über ein „Rettungsseil“ aufsteigen, das vor jeder Arbeit im Baum verankert wird.

Hauptsaison hat Kranz im Sommer – trotz Vogelbrut. „Die Wunden am Baum heilen dann besser.“ Sitzt der Specht mal im Ast, kommt Kranz eben später wieder. „Das ist das Sommerrisiko.“ Nicht immer rückt der Klettermax zur Baumpflege an. „Einmal sollte ich ein teures Modellflugzeug aus den Ästen befreien.“ In New York lebt ein Kollege sogar vom Katzen-Retten. „Wenn die dann aggressiv sind, wird's teurer“, verrät Kranz. Er selbst schielt auf den Freizeit-Bereich. In Frankreich wird das „Spaßklettern für jedermann“ schon als Ferien-Event vermarktet. Kranz will demnächst mit ganzen Kindergruppen in die Bäume.

Viel wichtiger als das sportliche Klettern ist Kranz aber das Naturerlebnis dabei. Das „Begreifen“ des Baumes. „Das ist schon irre, wenn man in 30 Metern Höhe in einem riesenalten Baum sitzt“, sagt er. Spezialnetze, die der Kletterbegeis-terte gerade mit Spielgeräteherstellern entwickelt, sollen das Kraxeln im Baum bald sogar ohne Klettergurt und Aufsichtsperson ermöglichen. Ein Prototyp davon hätte fast schon in Bremen gehangen. Im Menke-Park, wo Kranz letzten Monat ein „baumbiographisches Erlebnisfeld“ eingerichtet hat. „Aber das war Stadtgrün zu teuer.“

hoi

Info: www.baumrausch.de