Ein weißer Tag in Bremen

■ Unübersichtliches Handgemenge vor Gericht: Busfahrerin und Kundin beschuldigen sich gegenseitig der Körperverletzung. Zeugen bestätigen verschiedenste Varianten

Sicher ist nur: Zwei Frauen sind verletzt worden. Sicher ist auch: Nachdem beide Frauen, die weiße Fahrerin und die schwarze BSAG-Kundin, aus dem Bus Linie 26 ausgestiegen waren, haben Ärzte Schädelprellungen bei ihnen festgestellt. Beide wurden krank geschrieben – und beide haben einander wegen Tätlichkeiten angezeigt. Doch bislang wurde nur das Verfahren gegen die Passagierin Antiorufa A. eröffnet. Die 37-Jährige hatte sich zuvor geweigert, einen 300-Euro-Strafbefehl wegen Körperverletzung zu begleichen.

„Weil ich geschlagen wurde und ins Krankenhaus musste, soll ich zahlen? Bin ich kein Mensch?“, fragte die gebürtige Nigerianerin gestern bitter im Bremer Amtsgericht. Die Anzeige, die sie ihrerseits gegen die BSAG-Busfahrerin Ute G. erstattet hat, wurde bislang offenbar nicht bearbeitet. Und so stand Antiorufa A. einen zweiten Verhandlungstag als Angeklagte vor Gericht. Am Mittwoch werden weitere ZeugInnen gehört (10.30 Uhr, Raum 351) – auch wenn die Zeugenaussagen gestern eher zur Verwirrung als zur Klärung der Vorfalls vom 1. Juni vergangenen Jahres beitrugen, an dem die beiden Frauen aneinander gerieten.

Busfahrerin und Passagierin bleiben dabei: „Ich habe sie nicht geschlagen“, sagt jede über sich. Und über die andere: „Sie hat mich festgehalten.“ Ärzte stellten Verletzungen fest. Zeugen aber bestätigen nicht, dass die Fahrerin ihre Passagierin in den Unterleib getreten hätte, wie diese sagt, und ein Attest dies nahe legt. Die zuvor am Unterleib Operierte Nigerianerin musste nach dem Vorfall wieder stationär ins Krankenhaus. Zeugen haben aber ebensowenig gesehen, dass die Nigerianerin die Busfahrerin mit Hand oder Faust oder Schirm traktiert hätte, wie diese behauptet. Alle dagegen bestätigen, dass die beiden Frauen sich am Schlafittchen festhielten, ob in Abwehr oder Angriff, ist Interpretation. Zuvor war die Afrikanerin hinten aus- und vorne bei der Fahrerin wieder in den Bus eingestiegen . Empört. Weil die Frau hinterm Lenkrad sie nicht an der gewünschten Haltestelle habe aussteigen lassen, obwohl sie den Halteknopf gedrückt hatte.

Ob der Bus erst hielt und dann weiterfuhr, als niemand ausstieg, wie die Fahrerin sagt, oder ob die Fahrerin das Tempo verlangsamte, dann aber weiterfuhr – darüber waren die Zeugen gestern uneins. Sie waren auch nicht dabei, als die Angeklagte zu Beginn der Verhandlung unter Tränen schilderte, wie sie die Busfahrt als Spießrutenlauf erlebt hatte. Wie einen weißen Tag im Leben einer schwarzen Bremerin.

Erst sei sie nicht wie gewünscht aus dem Bus gekommen. Dann, nachdem sie sich vorne bei der Fahrerin beschwert hatte, habe ihr jemand bei der nächsten Haltestelle „black woman, get out“ hinterhergerufen – auf englisch. Obwohl doch vorher niemand übersetzte oder half. Und als sie den Rufer zur Rede habe stellen wollen, habe es „shut up“ geheißen. Später wird die kräftige Frau einen Moment kurz zittern und dann den Zeugen direkt ansprechen: „Sie haben doch das Problem verursacht. Sie haben mir diese Sachen gesagt.“ Um diesen Mann zur Rede zu stellen, sei sie vorne wieder in den Bus eingestiegen. Der Richter mahnt zur Mäßigung. „Passen Sie auf, dass alles was Sie sagen stimmt.“

Doch der angesprochene Bewährungshelfer, der per Handy die Polizei gerufen hatte, erinnert sich nur an sein „shut up“ – „als die Frau schon wieder da stand und schimpfte.“ Zuvor habe er sie weiter hinten im Bus „wie ein Kind im Selbstgespräch“ wahrgenommen. „Da hat sie vor sich hingeschimpft.“ Er habe nur nach Hause gewollt. Doch das Schimpfen war schon losgegangen, das „shut up“ schon heraus. „Die Bustür ging auf und die Fahrerin stand auf“, widerspricht er der Fahrerin, die nichts getan haben will. Dann hätten die beiden Frauen sich einander gegriffen. Als aber „viele Hände von hinten gekommen sind“, „wohl um die beiden zu trennen“, „da bin ich in Deckung gegangen.“

Die Angeklagte hat das als Angriff erlebt. „Sie schlugen mich auf den Hals. Und einer auf den Kopf.“ Zuvor hätten fast alle über sie gelacht . Dass auch die Fahrerin krank geschrieben wurde, erfuhr Antiorufa A. erst im Gerichtssaal. ede